Freyheit, Verse zu machen, gänzlich ausge- schlossen. Die Perser haben deswegen unter sich das unhöfliche Sprichwort: Wenn die Henne wie der Hahn krähen will; so muß man ihr die Kehle abschneiden.
Verschiedene gelehrte Männer sind der Meynung, daß die Kunst, Fabeln zu schreiben, und durch Fabeln das Volk zu unterrichten, den Persern zuzuschreiben sey. Sie fügen noch hinzu, daß es die Griechen selbst gestan- den und sich gerühmt hätten, die Morgenlän- der hierinn zu Lehrmeistern gehabt zu haben. Locmanns Fabeln, den die Perser ungemein ehren, -- weil Mohammed desselben im Ko- ran rühmlichst gedenkt -- sollen mit den Aeso- pischen einerley seyn. In Sentenzen und sinnreichen Einfällen, deren Eigenschaft darinn besteht, lehrreiche Wahrheiten in wenigen Wor- ten einzuschließen, haben sich die Perser jeder- zeit hervorgethan. Man sieht sie gewöhnlich auf Denkmälern, und die öffentlichen Palläste sind mit denselben stark versehen. Herbert und Cbardin haben derselben viele gesammlet. Und um dem Leser von den Fähigkeiten der Perser in diesem Stücke eine Idee zu machen, will ich einige hier hersetzen.
Ein kluger Freund ist besser, als ein aus- schweifender Freund.
Das Geschenk eines freygebigen Mannes ist ein wahres Geschenk: das Geschenk eines eigennützigen Mannes, ist Betteley.
Das
Freyheit, Verſe zu machen, gaͤnzlich ausge- ſchloſſen. Die Perſer haben deswegen unter ſich das unhoͤfliche Sprichwort: Wenn die Henne wie der Hahn kraͤhen will; ſo muß man ihr die Kehle abſchneiden.
Verſchiedene gelehrte Maͤnner ſind der Meynung, daß die Kunſt, Fabeln zu ſchreiben, und durch Fabeln das Volk zu unterrichten, den Perſern zuzuſchreiben ſey. Sie fuͤgen noch hinzu, daß es die Griechen ſelbſt geſtan- den und ſich geruͤhmt haͤtten, die Morgenlaͤn- der hierinn zu Lehrmeiſtern gehabt zu haben. Locmanns Fabeln, den die Perſer ungemein ehren, — weil Mohammed deſſelben im Ko- ran ruͤhmlichſt gedenkt — ſollen mit den Aeſo- piſchen einerley ſeyn. In Sentenzen und ſinnreichen Einfaͤllen, deren Eigenſchaft darinn beſteht, lehrreiche Wahrheiten in wenigen Wor- ten einzuſchließen, haben ſich die Perſer jeder- zeit hervorgethan. Man ſieht ſie gewoͤhnlich auf Denkmaͤlern, und die oͤffentlichen Pallaͤſte ſind mit denſelben ſtark verſehen. Herbert und Cbardin haben derſelben viele geſammlet. Und um dem Leſer von den Faͤhigkeiten der Perſer in dieſem Stuͤcke eine Idee zu machen, will ich einige hier herſetzen.
Ein kluger Freund iſt beſſer, als ein aus- ſchweifender Freund.
Das Geſchenk eines freygebigen Mannes iſt ein wahres Geſchenk: das Geſchenk eines eigennuͤtzigen Mannes, iſt Betteley.
Das
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0112"n="92"/>
Freyheit, Verſe zu machen, gaͤnzlich ausge-<lb/>ſchloſſen. Die Perſer haben deswegen unter<lb/>ſich das unhoͤfliche Sprichwort: <hirendition="#fr">Wenn die<lb/>
Henne wie der Hahn kraͤhen will; ſo<lb/>
muß man ihr die Kehle abſchneiden.</hi></p><lb/><p>Verſchiedene gelehrte Maͤnner ſind der<lb/>
Meynung, daß die Kunſt, Fabeln zu ſchreiben,<lb/>
und durch Fabeln das Volk zu unterrichten,<lb/>
den Perſern zuzuſchreiben ſey. Sie fuͤgen<lb/>
noch hinzu, daß es die Griechen ſelbſt geſtan-<lb/>
den und ſich geruͤhmt haͤtten, die Morgenlaͤn-<lb/>
der hierinn zu Lehrmeiſtern gehabt zu haben.<lb/><hirendition="#fr">Locmanns</hi> Fabeln, den die Perſer ungemein<lb/>
ehren, — weil Mohammed deſſelben im Ko-<lb/>
ran ruͤhmlichſt gedenkt —ſollen mit den Aeſo-<lb/>
piſchen einerley ſeyn. In Sentenzen und<lb/>ſinnreichen Einfaͤllen, deren Eigenſchaft darinn<lb/>
beſteht, lehrreiche Wahrheiten in wenigen Wor-<lb/>
ten einzuſchließen, haben ſich die Perſer jeder-<lb/>
zeit hervorgethan. Man ſieht ſie gewoͤhnlich<lb/>
auf Denkmaͤlern, und die oͤffentlichen Pallaͤſte<lb/>ſind mit denſelben ſtark verſehen. <hirendition="#fr">Herbert</hi> und<lb/><hirendition="#fr">Cbardin</hi> haben derſelben viele geſammlet.<lb/>
Und um dem Leſer von den Faͤhigkeiten der<lb/>
Perſer in dieſem Stuͤcke eine Idee zu machen,<lb/>
will ich einige hier herſetzen.</p><lb/><p>Ein kluger Freund iſt beſſer, als ein aus-<lb/>ſchweifender Freund.</p><lb/><p>Das Geſchenk eines freygebigen Mannes<lb/>
iſt ein wahres Geſchenk: das Geſchenk eines<lb/>
eigennuͤtzigen Mannes, iſt Betteley.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Das</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[92/0112]
Freyheit, Verſe zu machen, gaͤnzlich ausge-
ſchloſſen. Die Perſer haben deswegen unter
ſich das unhoͤfliche Sprichwort: Wenn die
Henne wie der Hahn kraͤhen will; ſo
muß man ihr die Kehle abſchneiden.
Verſchiedene gelehrte Maͤnner ſind der
Meynung, daß die Kunſt, Fabeln zu ſchreiben,
und durch Fabeln das Volk zu unterrichten,
den Perſern zuzuſchreiben ſey. Sie fuͤgen
noch hinzu, daß es die Griechen ſelbſt geſtan-
den und ſich geruͤhmt haͤtten, die Morgenlaͤn-
der hierinn zu Lehrmeiſtern gehabt zu haben.
Locmanns Fabeln, den die Perſer ungemein
ehren, — weil Mohammed deſſelben im Ko-
ran ruͤhmlichſt gedenkt — ſollen mit den Aeſo-
piſchen einerley ſeyn. In Sentenzen und
ſinnreichen Einfaͤllen, deren Eigenſchaft darinn
beſteht, lehrreiche Wahrheiten in wenigen Wor-
ten einzuſchließen, haben ſich die Perſer jeder-
zeit hervorgethan. Man ſieht ſie gewoͤhnlich
auf Denkmaͤlern, und die oͤffentlichen Pallaͤſte
ſind mit denſelben ſtark verſehen. Herbert und
Cbardin haben derſelben viele geſammlet.
Und um dem Leſer von den Faͤhigkeiten der
Perſer in dieſem Stuͤcke eine Idee zu machen,
will ich einige hier herſetzen.
Ein kluger Freund iſt beſſer, als ein aus-
ſchweifender Freund.
Das Geſchenk eines freygebigen Mannes
iſt ein wahres Geſchenk: das Geſchenk eines
eigennuͤtzigen Mannes, iſt Betteley.
Das
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 1. Breslau, 1776, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik01_1776/112>, abgerufen am 17.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.