Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.ich mit. Da kamen bald aus der Gegend her, wo es "Herr, mein Heiland!" -- mußte ich auf einmal Richtig, er war's. Mit abgeschossenem Bein lag er 10*
ich mit. Da kamen bald aus der Gegend her, wo es „Herr, mein Heiland!“ — mußte ich auf einmal Richtig, er war’s. Mit abgeſchoſſenem Bein lag er 10*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0157" n="147"/> ich mit. Da kamen bald aus der Gegend her, wo es<lb/> ſo rollte und donnerte, Wagen mit Verwundeten, Freund<lb/> und Feind durcheinander und immer mehr und mehr.<lb/> Die wurden alle in die Stadt gebracht.</p><lb/> <p>„Herr, mein Heiland!“ — mußte ich auf einmal<lb/> ausrufen, „iſt das nicht der Piär von damals, von<lb/><hi rendition="#aq">Anno</hi> Sechs?“</p><lb/> <p>Richtig, er war’s. Mit abgeſchoſſenem Bein lag er<lb/> auf dem Stroh und wimmerte ganz jämmerlich. „Den<lb/> nehm’ <hi rendition="#g">ich</hi> mit,“ ſagte mein Alter und bat ihn ſich aus,<lb/> und wir brachten ihn hier in’s Haus — in Ihre Stube,<lb/> Herr Wachholder. Da kurirten wir ihn. Als er beſſer<lb/> wurde, hatte mein Mann oft ſeine Reden mit ihm. Ein-<lb/> mal war der Franzos oben auf, einmal mein Alter.<lb/> Da hieß es plötzlich, die Deutſchen ſeien wieder geſchla-<lb/> gen und der Napoleon abermals Obermeiſter. Mein Alter<lb/> ſchaute den Willem bedenklich an, als ginge er mit ſich<lb/> zu Rath; als aber in der Nacht die Sturmglocken auf<lb/> allen Dörfern läuteten, wußte ich, was geſchehen würde<lb/> und weinte die ganze Nacht und — am Morgen zog<lb/> auch mein Willem fort mit grünen Jägern zu Fuß, und<lb/> Minchen Schmidt, die mit ihrer alten Mutter in Ihrer<lb/> Stube drüben wohnte, Herr Strobel, weinte auch und<lb/> winkte mit dem Taſchentuch. Vorher aber führte ihn<lb/> mein Alter noch an das Bett des Franzoſen und ſagte:<lb/> <fw place="bottom" type="sig">10*</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [147/0157]
ich mit. Da kamen bald aus der Gegend her, wo es
ſo rollte und donnerte, Wagen mit Verwundeten, Freund
und Feind durcheinander und immer mehr und mehr.
Die wurden alle in die Stadt gebracht.
„Herr, mein Heiland!“ — mußte ich auf einmal
ausrufen, „iſt das nicht der Piär von damals, von
Anno Sechs?“
Richtig, er war’s. Mit abgeſchoſſenem Bein lag er
auf dem Stroh und wimmerte ganz jämmerlich. „Den
nehm’ ich mit,“ ſagte mein Alter und bat ihn ſich aus,
und wir brachten ihn hier in’s Haus — in Ihre Stube,
Herr Wachholder. Da kurirten wir ihn. Als er beſſer
wurde, hatte mein Mann oft ſeine Reden mit ihm. Ein-
mal war der Franzos oben auf, einmal mein Alter.
Da hieß es plötzlich, die Deutſchen ſeien wieder geſchla-
gen und der Napoleon abermals Obermeiſter. Mein Alter
ſchaute den Willem bedenklich an, als ginge er mit ſich
zu Rath; als aber in der Nacht die Sturmglocken auf
allen Dörfern läuteten, wußte ich, was geſchehen würde
und weinte die ganze Nacht und — am Morgen zog
auch mein Willem fort mit grünen Jägern zu Fuß, und
Minchen Schmidt, die mit ihrer alten Mutter in Ihrer
Stube drüben wohnte, Herr Strobel, weinte auch und
winkte mit dem Taſchentuch. Vorher aber führte ihn
mein Alter noch an das Bett des Franzoſen und ſagte:
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