Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857."Das ist der Zweite!" -- Der Franzos schaute ganz Das Kanonenschießen kam nun nicht wieder so nah Die Briefe von unseren Willem kamen nun immer "Der Andere!" stöhnte mein Alter in sich hinein „Das iſt der Zweite!“ — Der Franzos ſchaute ganz Das Kanonenſchießen kam nun nicht wieder ſo nah Die Briefe von unſeren Willem kamen nun immer „Der Andere!“ ſtöhnte mein Alter in ſich hinein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0158" n="148"/> „Das iſt der Zweite!“ — Der Franzos ſchaute ganz<lb/> kurios und bewildert drein und ſagte gar nichts, ſon-<lb/> dern drehte ſich nach der Wand.</p><lb/> <p>Das Kanonenſchießen kam nun nicht wieder ſo nah<lb/> und der Willem ſchrieb von großen Schlachten, wo viele<lb/> tauſend Menſchen zu Tod kamen, aber er nicht, und die<lb/> Briefe kamen immer ferner her und auf einmal ſtanden<lb/> gar welſche Namen darauf. Die brachte mein Alter<lb/> dem Franzos herauf, der nun ſchon ganz gut Deutſch<lb/> konnte und ſagte lachend zu ihm: „Nun, Gevatter!<lb/> Nit raus? Nit raus?“ — Und der Franzos machte ein<lb/> gar erbärmlich Geſicht und ſagte, den Brief in der<lb/> Hand: „Das ſein mein ’Eimathsort, da wohnen mein<lb/> Vatter und mein Mutter.“ Mein Alter aber ſaß am<lb/> Bett und rechnete an den Fingern: „Eins, zwei, vier —<lb/> acht. Acht Jahr, Gevatter Franzos! Warum habt Ihr<lb/> dunnemalen meine zwölf nicht genommen?“ —</p><lb/> <p>Die Briefe von unſeren Willem kamen nun immer<lb/> ſeltener und auf einmal blieben ſie ganz aus und eines<lb/> Tages — kommt mein Alter nach Haus, ſetzet ſich an<lb/> den Tiſch, legt den Kopf auf beide Arme und — weint.<lb/> Ich dachte der Himmel fiele über mich — — — —<lb/><hi rendition="#g">der</hi> und Weinen!</p><lb/> <p>„Der Andere!“ ſtöhnte mein Alter in ſich hinein<lb/> und ich fiel in Ohnmacht zu Boden.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [148/0158]
„Das iſt der Zweite!“ — Der Franzos ſchaute ganz
kurios und bewildert drein und ſagte gar nichts, ſon-
dern drehte ſich nach der Wand.
Das Kanonenſchießen kam nun nicht wieder ſo nah
und der Willem ſchrieb von großen Schlachten, wo viele
tauſend Menſchen zu Tod kamen, aber er nicht, und die
Briefe kamen immer ferner her und auf einmal ſtanden
gar welſche Namen darauf. Die brachte mein Alter
dem Franzos herauf, der nun ſchon ganz gut Deutſch
konnte und ſagte lachend zu ihm: „Nun, Gevatter!
Nit raus? Nit raus?“ — Und der Franzos machte ein
gar erbärmlich Geſicht und ſagte, den Brief in der
Hand: „Das ſein mein ’Eimathsort, da wohnen mein
Vatter und mein Mutter.“ Mein Alter aber ſaß am
Bett und rechnete an den Fingern: „Eins, zwei, vier —
acht. Acht Jahr, Gevatter Franzos! Warum habt Ihr
dunnemalen meine zwölf nicht genommen?“ —
Die Briefe von unſeren Willem kamen nun immer
ſeltener und auf einmal blieben ſie ganz aus und eines
Tages — kommt mein Alter nach Haus, ſetzet ſich an
den Tiſch, legt den Kopf auf beide Arme und — weint.
Ich dachte der Himmel fiele über mich — — — —
der und Weinen!
„Der Andere!“ ſtöhnte mein Alter in ſich hinein
und ich fiel in Ohnmacht zu Boden.
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