Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.verwundert und lächelnd an, und der Lehrer Roder sagte: (Gieb mir einen Kuß, Schatz, und ich erzähle Sieh', da wand die kleine Lise Ralff dem Pudel Lange Jahre waren hingegangen, seit ich meine Va- Ich wagte kaum die K[l]ingel zu ziehen. Endlich 12
verwundert und lächelnd an, und der Lehrer Roder ſagte: (Gieb mir einen Kuß, Schatz, und ich erzähle Sieh’, da wand die kleine Liſe Ralff dem Pudel Lange Jahre waren hingegangen, ſeit ich meine Va- Ich wagte kaum die K[l]ingel zu ziehen. Endlich 12
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0187" n="177"/> verwundert und lächelnd an, und der Lehrer Roder ſagte:<lb/> „Junge, das wäre prächtig, wenn Du — ſolide wür-<lb/> deſt!“ —</p><lb/> <p>(Gieb mir einen Kuß, Schatz, und ich erzähle<lb/> weiter.)</p><lb/> <p>Sieh’, da wand die kleine Liſe Ralff dem Pudel<lb/> einen hübſchen Waldblumenkranz um den Pelz, ſie drück-<lb/> ten mir Alle die Hand — das kleine Mädchen weinte<lb/> ſogar — und — — — ich ging nach München.</p><lb/> <p>Lange Jahre waren hingegangen, ſeit ich meine Va-<lb/> terſtadt nicht geſehen hatte, und ganz wehmüthig ge-<lb/> ſtimmt, ſchritt ich in der Abenddämmerung durch die<lb/> alten bekannten Gaſſen der Altſtadt. Da lag das Haus<lb/> meiner Eltern; — Fremde wohnten darin. Ich ſchaute<lb/> durch die Ritze eines Fenſterladens und ſah zwei Kinder,<lb/> die allein am Tiſche bei der Lampe ſaßen; ſie waren<lb/> ſehr eifrig in ein Gänſeſpiel vertieft und ich dachte an<lb/> unſere Jugend Nannerl und das Herz ward mir immer<lb/> ſchwerer. — Seidelgaſſe Nr. 20., da ſtand ich jetzt vor<lb/> einem andern Haus. Dort hing ein altes wohlbekann-<lb/> tes Schild: <hi rendition="#aq">„Pümpels Buchhandlung“</hi> darauf gemalt.<lb/> Der Laden war bereits geſchloſſen, der Onkel jedenfalls<lb/> ſchon im Hofbräuhaus; ein Lichtſchein erhellte noch die<lb/> Fenſter des obern Stockwerks.</p><lb/> <p>Ich wagte kaum die K<supplied>l</supplied>ingel zu ziehen. Endlich<lb/> <fw place="bottom" type="sig">12</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [177/0187]
verwundert und lächelnd an, und der Lehrer Roder ſagte:
„Junge, das wäre prächtig, wenn Du — ſolide wür-
deſt!“ —
(Gieb mir einen Kuß, Schatz, und ich erzähle
weiter.)
Sieh’, da wand die kleine Liſe Ralff dem Pudel
einen hübſchen Waldblumenkranz um den Pelz, ſie drück-
ten mir Alle die Hand — das kleine Mädchen weinte
ſogar — und — — — ich ging nach München.
Lange Jahre waren hingegangen, ſeit ich meine Va-
terſtadt nicht geſehen hatte, und ganz wehmüthig ge-
ſtimmt, ſchritt ich in der Abenddämmerung durch die
alten bekannten Gaſſen der Altſtadt. Da lag das Haus
meiner Eltern; — Fremde wohnten darin. Ich ſchaute
durch die Ritze eines Fenſterladens und ſah zwei Kinder,
die allein am Tiſche bei der Lampe ſaßen; ſie waren
ſehr eifrig in ein Gänſeſpiel vertieft und ich dachte an
unſere Jugend Nannerl und das Herz ward mir immer
ſchwerer. — Seidelgaſſe Nr. 20., da ſtand ich jetzt vor
einem andern Haus. Dort hing ein altes wohlbekann-
tes Schild: „Pümpels Buchhandlung“ darauf gemalt.
Der Laden war bereits geſchloſſen, der Onkel jedenfalls
ſchon im Hofbräuhaus; ein Lichtſchein erhellte noch die
Fenſter des obern Stockwerks.
Ich wagte kaum die Klingel zu ziehen. Endlich
12
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