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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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an den Autor.
Seegen anwünschen sollte. Denn ich bin das Wün-
schen gewohnt, und um deswillen sollte mir diese Ar-
beit nicht schwer fallen. Jch werde es aber wohl nicht
erleben, daß dieser gute Vorschlag jemals zu Stande
kömmt, und um deswillen wird es nöthig seyn, daß ich
auf andre Mittel sinne, welche zu meiner Erhaltung
dienen können. Es hat mir ein vornehmer Gönner
den Vorschlag gethan, daß ich um die Stapelgerech-
tigkeit ansuchen sollte, vermöge welcher nur ich allein,
und sonst niemand, binnen zwanzig Meilen um mei-
nen Aufenthalt herum, die Freyheit haben sollte, mei-
nem Nächsten etwas Gutes zu wünschen. Allein zu
geschweigen, daß mir dieser Vorschlag ein wenig zu
weitläuftig aussieht; so fürchte ich mich auch der Sün-
de, da ich manche Seufzer und Thränen auf mich brin-
gen, und die Menge meiner glückwünschenden Mit-
brüder in die erbärmlichsten Umstände setzen würde.
Jch habe noch einen andern Einfall. Sie sind be-
rühmt, mein Herr Autor; Sie sind in den witzigsten
Gesellschaften bekannt, und ich höre, daß Jhre Worte
nicht ohne Nachdruck sind. Thun Sie das Werk der
Barmherzigkeit an einem unglückseligen Collegen, an
einem Autor, an einem Poeten, der vor guten Wün-
schen bersten möchte! Empfehlen Sie mich Jhren Le-
sern zu freygebigem Wohlwollen! Sagen Sie ihnen,
daß ich einen natürlichen Trieb zu singen habe: So
werden sich Gönner genug finden, welche eine natür-
liche Begierde besitzen, besungen zu werden. Umsonst
können sie es freylich von mir nicht verlangen; aber ich
will es doch gewiß billig machen. Jch will sie alle lo-
ben, ich gebe Jhnen mein Wort; und ob ich gleich die

Ver-
N 5

an den Autor.
Seegen anwuͤnſchen ſollte. Denn ich bin das Wuͤn-
ſchen gewohnt, und um deswillen ſollte mir dieſe Ar-
beit nicht ſchwer fallen. Jch werde es aber wohl nicht
erleben, daß dieſer gute Vorſchlag jemals zu Stande
koͤmmt, und um deswillen wird es noͤthig ſeyn, daß ich
auf andre Mittel ſinne, welche zu meiner Erhaltung
dienen koͤnnen. Es hat mir ein vornehmer Goͤnner
den Vorſchlag gethan, daß ich um die Stapelgerech-
tigkeit anſuchen ſollte, vermoͤge welcher nur ich allein,
und ſonſt niemand, binnen zwanzig Meilen um mei-
nen Aufenthalt herum, die Freyheit haben ſollte, mei-
nem Naͤchſten etwas Gutes zu wuͤnſchen. Allein zu
geſchweigen, daß mir dieſer Vorſchlag ein wenig zu
weitlaͤuftig ausſieht; ſo fuͤrchte ich mich auch der Suͤn-
de, da ich manche Seufzer und Thraͤnen auf mich brin-
gen, und die Menge meiner gluͤckwuͤnſchenden Mit-
bruͤder in die erbaͤrmlichſten Umſtaͤnde ſetzen wuͤrde.
Jch habe noch einen andern Einfall. Sie ſind be-
ruͤhmt, mein Herr Autor; Sie ſind in den witzigſten
Geſellſchaften bekannt, und ich hoͤre, daß Jhre Worte
nicht ohne Nachdruck ſind. Thun Sie das Werk der
Barmherzigkeit an einem ungluͤckſeligen Collegen, an
einem Autor, an einem Poeten, der vor guten Wuͤn-
ſchen berſten moͤchte! Empfehlen Sie mich Jhren Le-
ſern zu freygebigem Wohlwollen! Sagen Sie ihnen,
daß ich einen natuͤrlichen Trieb zu ſingen habe: So
werden ſich Goͤnner genug finden, welche eine natuͤr-
liche Begierde beſitzen, beſungen zu werden. Umſonſt
koͤnnen ſie es freylich von mir nicht verlangen; aber ich
will es doch gewiß billig machen. Jch will ſie alle lo-
ben, ich gebe Jhnen mein Wort; und ob ich gleich die

Ver-
N 5
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[201/0275] an den Autor. Seegen anwuͤnſchen ſollte. Denn ich bin das Wuͤn- ſchen gewohnt, und um deswillen ſollte mir dieſe Ar- beit nicht ſchwer fallen. Jch werde es aber wohl nicht erleben, daß dieſer gute Vorſchlag jemals zu Stande koͤmmt, und um deswillen wird es noͤthig ſeyn, daß ich auf andre Mittel ſinne, welche zu meiner Erhaltung dienen koͤnnen. Es hat mir ein vornehmer Goͤnner den Vorſchlag gethan, daß ich um die Stapelgerech- tigkeit anſuchen ſollte, vermoͤge welcher nur ich allein, und ſonſt niemand, binnen zwanzig Meilen um mei- nen Aufenthalt herum, die Freyheit haben ſollte, mei- nem Naͤchſten etwas Gutes zu wuͤnſchen. Allein zu geſchweigen, daß mir dieſer Vorſchlag ein wenig zu weitlaͤuftig ausſieht; ſo fuͤrchte ich mich auch der Suͤn- de, da ich manche Seufzer und Thraͤnen auf mich brin- gen, und die Menge meiner gluͤckwuͤnſchenden Mit- bruͤder in die erbaͤrmlichſten Umſtaͤnde ſetzen wuͤrde. Jch habe noch einen andern Einfall. Sie ſind be- ruͤhmt, mein Herr Autor; Sie ſind in den witzigſten Geſellſchaften bekannt, und ich hoͤre, daß Jhre Worte nicht ohne Nachdruck ſind. Thun Sie das Werk der Barmherzigkeit an einem ungluͤckſeligen Collegen, an einem Autor, an einem Poeten, der vor guten Wuͤn- ſchen berſten moͤchte! Empfehlen Sie mich Jhren Le- ſern zu freygebigem Wohlwollen! Sagen Sie ihnen, daß ich einen natuͤrlichen Trieb zu ſingen habe: So werden ſich Goͤnner genug finden, welche eine natuͤr- liche Begierde beſitzen, beſungen zu werden. Umſonſt koͤnnen ſie es freylich von mir nicht verlangen; aber ich will es doch gewiß billig machen. Jch will ſie alle lo- ben, ich gebe Jhnen mein Wort; und ob ich gleich die Ver- N 5

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/275>, abgerufen am 20.05.2024.