Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Luther in Worms.
seinem Leben: er habe der Erwartung nicht entsprochen
die man von ihm gehegt. 1 Man kann denken, wie Alean-
der ihn beurtheilte. Aber auch der Kaiser hatte einen ähn-
lichen Eindruck bekommen. "Der," rief er aus, "soll
mich nicht zum Ketzer machen." Gleich des nächsten Ta-
ges, am 19ten April, that er den Reichsständen in einer
eigenhändigen, französisch abgefaßten Erklärung seinen Ent-
schluß kund, den Glauben zu behaupten, den seine Vor-
fahren, rechtgläubige Kaiser und katholische Könige gehal-
ten. Dazu rechne er alles was in den Concilien, nament-
lich auch in dem Costnitzer festgesetzt worden sey. Seine
ganze Macht, Leib und Leben, ja die Seele selbst wolle
er dafür verwenden. Nach den Äußerungen der Hart-
näckigkeit, die man gestern von Luther gehört, fühle er
Reue, daß er ihn bisher geschont habe, und werde gegen
ihn verfahren wie gegen einen offenbaren Ketzer. Er for-
dert die Fürsten auf, in demselben Sinne zu handeln, wie
ihre Pflicht sey und sie ihm versprochen.

Seinen deutschen Landsleuten dagegen hatte Luther
vollkommen Genüge gethan. 2 Die versuchten Kriegshaupt-
leute hatten ihre Freude an seiner Unerschrockenheit: der
alte Georg von Frundsberg klopfte ihm im Hineingehn
ermuthigend auf die Schulter: der tapfere Erich von Braun-

1 Contarenus ad Matthaeum Dandulum Vormatiae 26mo d.
Apr.
1521 in der Chronik des Sanuto Tom. XXX.
2 Contarenus ad Tiepolum 25mo d. Apr. Habet intentis-
simos inimicos et maximos fautores: res agitur tanta contentione
quantam nemo crederet. Letter of Tonstall from the diet of
Worms
bei Fiddes life of Wolsey p. 242. The Germans every
where are so addicted to Luther, that rather than he shall be
oppressed by the Pope's authority, a hundred thousand of the
people will sacrifice their lifes.

Luther in Worms.
ſeinem Leben: er habe der Erwartung nicht entſprochen
die man von ihm gehegt. 1 Man kann denken, wie Alean-
der ihn beurtheilte. Aber auch der Kaiſer hatte einen ähn-
lichen Eindruck bekommen. „Der,“ rief er aus, „ſoll
mich nicht zum Ketzer machen.“ Gleich des nächſten Ta-
ges, am 19ten April, that er den Reichsſtänden in einer
eigenhändigen, franzöſiſch abgefaßten Erklärung ſeinen Ent-
ſchluß kund, den Glauben zu behaupten, den ſeine Vor-
fahren, rechtgläubige Kaiſer und katholiſche Könige gehal-
ten. Dazu rechne er alles was in den Concilien, nament-
lich auch in dem Coſtnitzer feſtgeſetzt worden ſey. Seine
ganze Macht, Leib und Leben, ja die Seele ſelbſt wolle
er dafür verwenden. Nach den Äußerungen der Hart-
näckigkeit, die man geſtern von Luther gehört, fühle er
Reue, daß er ihn bisher geſchont habe, und werde gegen
ihn verfahren wie gegen einen offenbaren Ketzer. Er for-
dert die Fürſten auf, in demſelben Sinne zu handeln, wie
ihre Pflicht ſey und ſie ihm verſprochen.

Seinen deutſchen Landsleuten dagegen hatte Luther
vollkommen Genüge gethan. 2 Die verſuchten Kriegshaupt-
leute hatten ihre Freude an ſeiner Unerſchrockenheit: der
alte Georg von Frundsberg klopfte ihm im Hineingehn
ermuthigend auf die Schulter: der tapfere Erich von Braun-

1 Contarenus ad Matthaeum Dandulum Vormatiae 26mo d.
Apr.
1521 in der Chronik des Sanuto Tom. XXX.
2 Contarenus ad Tiepolum 25mo d. Apr. Habet intentis-
simos inimicos et maximos fautores: res agitur tanta contentione
quantam nemo crederet. Letter of Tonstall from the diet of
Worms
bei Fiddes life of Wolsey p. 242. The Germans every
where are so addicted to Luther, that rather than he shall be
oppressed by the Pope’s authority, a hundred thousand of the
people will sacrifice their lifes.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0503" n="485"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Luther in Worms</hi>.</fw><lb/>
&#x017F;einem Leben: er habe der Erwartung nicht ent&#x017F;prochen<lb/>
die man von ihm gehegt. <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Contarenus ad Matthaeum Dandulum Vormatiae 26<hi rendition="#sup">mo</hi> d.<lb/>
Apr.</hi> 1521 in der Chronik des Sanuto <hi rendition="#aq">Tom. XXX.</hi></note> Man kann denken, wie Alean-<lb/>
der ihn beurtheilte. Aber auch der Kai&#x017F;er hatte einen ähn-<lb/>
lichen Eindruck bekommen. &#x201E;Der,&#x201C; rief er aus, &#x201E;&#x017F;oll<lb/>
mich nicht zum Ketzer machen.&#x201C; Gleich des näch&#x017F;ten Ta-<lb/>
ges, am 19ten April, that er den Reichs&#x017F;tänden in einer<lb/>
eigenhändigen, franzö&#x017F;i&#x017F;ch abgefaßten Erklärung &#x017F;einen Ent-<lb/>
&#x017F;chluß kund, den Glauben zu behaupten, den &#x017F;eine Vor-<lb/>
fahren, rechtgläubige Kai&#x017F;er und katholi&#x017F;che Könige gehal-<lb/>
ten. Dazu rechne er alles was in den Concilien, nament-<lb/>
lich auch in dem Co&#x017F;tnitzer fe&#x017F;tge&#x017F;etzt worden &#x017F;ey. Seine<lb/>
ganze Macht, Leib und Leben, ja die Seele &#x017F;elb&#x017F;t wolle<lb/>
er dafür verwenden. Nach den Äußerungen der Hart-<lb/>
näckigkeit, die man ge&#x017F;tern von Luther gehört, fühle er<lb/>
Reue, daß er ihn bisher ge&#x017F;chont habe, und werde gegen<lb/>
ihn verfahren wie gegen einen offenbaren Ketzer. Er for-<lb/>
dert die Für&#x017F;ten auf, in dem&#x017F;elben Sinne zu handeln, wie<lb/>
ihre Pflicht &#x017F;ey und &#x017F;ie ihm ver&#x017F;prochen.</p><lb/>
            <p>Seinen deut&#x017F;chen Landsleuten dagegen hatte Luther<lb/>
vollkommen Genüge gethan. <note place="foot" n="2"><hi rendition="#aq">Contarenus ad Tiepolum 25<hi rendition="#sup">mo</hi> d. Apr. Habet intentis-<lb/>
simos inimicos et maximos fautores: res agitur tanta contentione<lb/>
quantam nemo crederet. Letter of Tonstall from the diet of<lb/>
Worms</hi> bei Fiddes <hi rendition="#aq">life of Wolsey p. 242. The Germans every<lb/>
where are so addicted to Luther, that rather than he shall be<lb/>
oppressed by the Pope&#x2019;s authority, a hundred thousand of the<lb/>
people will sacrifice their lifes.</hi></note> Die ver&#x017F;uchten Kriegshaupt-<lb/>
leute hatten ihre Freude an &#x017F;einer Uner&#x017F;chrockenheit: der<lb/>
alte Georg von Frundsberg klopfte ihm im Hineingehn<lb/>
ermuthigend auf die Schulter: der tapfere Erich von Braun-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[485/0503] Luther in Worms. ſeinem Leben: er habe der Erwartung nicht entſprochen die man von ihm gehegt. 1 Man kann denken, wie Alean- der ihn beurtheilte. Aber auch der Kaiſer hatte einen ähn- lichen Eindruck bekommen. „Der,“ rief er aus, „ſoll mich nicht zum Ketzer machen.“ Gleich des nächſten Ta- ges, am 19ten April, that er den Reichsſtänden in einer eigenhändigen, franzöſiſch abgefaßten Erklärung ſeinen Ent- ſchluß kund, den Glauben zu behaupten, den ſeine Vor- fahren, rechtgläubige Kaiſer und katholiſche Könige gehal- ten. Dazu rechne er alles was in den Concilien, nament- lich auch in dem Coſtnitzer feſtgeſetzt worden ſey. Seine ganze Macht, Leib und Leben, ja die Seele ſelbſt wolle er dafür verwenden. Nach den Äußerungen der Hart- näckigkeit, die man geſtern von Luther gehört, fühle er Reue, daß er ihn bisher geſchont habe, und werde gegen ihn verfahren wie gegen einen offenbaren Ketzer. Er for- dert die Fürſten auf, in demſelben Sinne zu handeln, wie ihre Pflicht ſey und ſie ihm verſprochen. Seinen deutſchen Landsleuten dagegen hatte Luther vollkommen Genüge gethan. 2 Die verſuchten Kriegshaupt- leute hatten ihre Freude an ſeiner Unerſchrockenheit: der alte Georg von Frundsberg klopfte ihm im Hineingehn ermuthigend auf die Schulter: der tapfere Erich von Braun- 1 Contarenus ad Matthaeum Dandulum Vormatiae 26mo d. Apr. 1521 in der Chronik des Sanuto Tom. XXX. 2 Contarenus ad Tiepolum 25mo d. Apr. Habet intentis- simos inimicos et maximos fautores: res agitur tanta contentione quantam nemo crederet. Letter of Tonstall from the diet of Worms bei Fiddes life of Wolsey p. 242. The Germans every where are so addicted to Luther, that rather than he shall be oppressed by the Pope’s authority, a hundred thousand of the people will sacrifice their lifes.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/503
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 485. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/503>, abgerufen am 30.04.2024.