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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

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Der achtzehnte Brief
von
Fräulein Clarissa Harlowe an Fräulein
Howe.

Wenige Personen von jungen Jahren haben
wohl überzeugendere Proben geben kön-
nen, als ich selbst, wie wenig wahre Glückselig-
keit in dem Genusse desjenigen, was wir selbst
gewünschet, zu finden sey.

Jch will nur ein Beyspiel von der Wahr-
heit dieser Anmerkung anführen. Was würde
ich vor einigen Wochen darum gegeben haben:
wenn ich von meiner lieben Fräulein Howe, auf de-
ren Freundschaft ich allen meinen übrigen Trost
und Hoffnung setzte, mit einem Briefe begünsti-
get wäre? Jch ließ mir nicht in den Sinn kom-
men, daß der erste Brief, mit dem Sie mich be-
ehren würde, eine solche Sprache führen sollte,
daß ich deswegen mehr als einmal auf die Un-
terschrift zurück sehen müßte, damit ich versichert
wäre, weil der Name nicht ganz ausgeschrieben,
daß er nicht von einer andern A. H. unterzeich-
net worden. Denn gewiß, dachte ich, dieß ist
meiner Schwester Arabellens Schreibart.
Wahrlich, Fräulein Howe; Sie mag mich in
andern Stücken tadeln, so viel es Jhr gefällt;

hat
F 4




Der achtzehnte Brief
von
Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein
Howe.

Wenige Perſonen von jungen Jahren haben
wohl uͤberzeugendere Proben geben koͤn-
nen, als ich ſelbſt, wie wenig wahre Gluͤckſelig-
keit in dem Genuſſe desjenigen, was wir ſelbſt
gewuͤnſchet, zu finden ſey.

Jch will nur ein Beyſpiel von der Wahr-
heit dieſer Anmerkung anfuͤhren. Was wuͤrde
ich vor einigen Wochen darum gegeben haben:
wenn ich von meiner lieben Fraͤulein Howe, auf de-
ren Freundſchaft ich allen meinen uͤbrigen Troſt
und Hoffnung ſetzte, mit einem Briefe beguͤnſti-
get waͤre? Jch ließ mir nicht in den Sinn kom-
men, daß der erſte Brief, mit dem Sie mich be-
ehren wuͤrde, eine ſolche Sprache fuͤhren ſollte,
daß ich deswegen mehr als einmal auf die Un-
terſchrift zuruͤck ſehen muͤßte, damit ich verſichert
waͤre, weil der Name nicht ganz ausgeſchrieben,
daß er nicht von einer andern A. H. unterzeich-
net worden. Denn gewiß, dachte ich, dieß iſt
meiner Schweſter Arabellens Schreibart.
Wahrlich, Fraͤulein Howe; Sie mag mich in
andern Stuͤcken tadeln, ſo viel es Jhr gefaͤllt;

hat
F 4
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[87/0093] Der achtzehnte Brief von Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein Howe. Donnerſtags, den 6ten Jul. Wenige Perſonen von jungen Jahren haben wohl uͤberzeugendere Proben geben koͤn- nen, als ich ſelbſt, wie wenig wahre Gluͤckſelig- keit in dem Genuſſe desjenigen, was wir ſelbſt gewuͤnſchet, zu finden ſey. Jch will nur ein Beyſpiel von der Wahr- heit dieſer Anmerkung anfuͤhren. Was wuͤrde ich vor einigen Wochen darum gegeben haben: wenn ich von meiner lieben Fraͤulein Howe, auf de- ren Freundſchaft ich allen meinen uͤbrigen Troſt und Hoffnung ſetzte, mit einem Briefe beguͤnſti- get waͤre? Jch ließ mir nicht in den Sinn kom- men, daß der erſte Brief, mit dem Sie mich be- ehren wuͤrde, eine ſolche Sprache fuͤhren ſollte, daß ich deswegen mehr als einmal auf die Un- terſchrift zuruͤck ſehen muͤßte, damit ich verſichert waͤre, weil der Name nicht ganz ausgeſchrieben, daß er nicht von einer andern A. H. unterzeich- net worden. Denn gewiß, dachte ich, dieß iſt meiner Schweſter Arabellens Schreibart. Wahrlich, Fraͤulein Howe; Sie mag mich in andern Stuͤcken tadeln, ſo viel es Jhr gefaͤllt; hat F 4

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/93>, abgerufen am 31.10.2024.