Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



wechsel gehabt, und Sie hätten darauf Herrn
Hickmanns Besuch nicht annehmen wollen. Auf
die Art vermuthete ich zu einer Zeit, daß Sie
nicht im Stande wären zu schreiben: zu einer
andern, daß Jhrer Mutter Verbot gehöriges
Gewicht bey Jhnen hätte. Allein nunmehr
zweifle ich gar nicht, daß der böse Mensch Jhre
Briefe aufgefangen habe: und wünsche nur, daß
er nicht auch Mittel gefunden, Jhren Bothen
zu bestechen,
damit er Jhnen eine so seltsame
Geschichte erzählen möchte.

Es wäre am Sonntage, den 11ten Jun. ge-
wesen, sagen Sie, daß der Bothe mir den Brief
gegeben. Jch war an dem Tage zweymal mit
Frau Moore in der Kirche. Herr Lovelace war
unterdessen in ihrem Hause, wo er seinen Tisch
hatte, und auch seine Wohnung aufschlagen woll-
te: aber dieß wollte ich nicht zulassen, ob ich
gleich das andere nicht hindern konnte. Jn ei-
ner von diesen Zeiten muß es gewesen seyn, daß
er Gelegenheit gehabt, an dem Menschen zu ar-
beiten. Das werden Sie leicht herausbringen,
meine Werthe: wenn Sie sich nur nach der Zeit,
da er in Frau Moorens Haus angekommen, und
nach andern Umständen von dem wunderlichen
Zustande,
worinn er mich auf einem Ruhebette
und so weiter gefunden zu haben vorgiebet, er-
kundigen.

Hätte mich jemand nachher gesehen, da ich
verrätherischer Weise wieder in das schändliche
Haus zurückgebracht war, unter der Wirkung

böser



wechſel gehabt, und Sie haͤtten darauf Herrn
Hickmanns Beſuch nicht annehmen wollen. Auf
die Art vermuthete ich zu einer Zeit, daß Sie
nicht im Stande waͤren zu ſchreiben: zu einer
andern, daß Jhrer Mutter Verbot gehoͤriges
Gewicht bey Jhnen haͤtte. Allein nunmehr
zweifle ich gar nicht, daß der boͤſe Menſch Jhre
Briefe aufgefangen habe: und wuͤnſche nur, daß
er nicht auch Mittel gefunden, Jhren Bothen
zu beſtechen,
damit er Jhnen eine ſo ſeltſame
Geſchichte erzaͤhlen moͤchte.

Es waͤre am Sonntage, den 11ten Jun. ge-
weſen, ſagen Sie, daß der Bothe mir den Brief
gegeben. Jch war an dem Tage zweymal mit
Frau Moore in der Kirche. Herr Lovelace war
unterdeſſen in ihrem Hauſe, wo er ſeinen Tiſch
hatte, und auch ſeine Wohnung aufſchlagen woll-
te: aber dieß wollte ich nicht zulaſſen, ob ich
gleich das andere nicht hindern konnte. Jn ei-
ner von dieſen Zeiten muß es geweſen ſeyn, daß
er Gelegenheit gehabt, an dem Menſchen zu ar-
beiten. Das werden Sie leicht herausbringen,
meine Werthe: wenn Sie ſich nur nach der Zeit,
da er in Frau Moorens Haus angekommen, und
nach andern Umſtaͤnden von dem wunderlichen
Zuſtande,
worinn er mich auf einem Ruhebette
und ſo weiter gefunden zu haben vorgiebet, er-
kundigen.

Haͤtte mich jemand nachher geſehen, da ich
verraͤtheriſcher Weiſe wieder in das ſchaͤndliche
Haus zuruͤckgebracht war, unter der Wirkung

boͤſer
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0098" n="92"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
wech&#x017F;el gehabt, und Sie ha&#x0364;tten darauf Herrn<lb/>
Hickmanns Be&#x017F;uch nicht annehmen wollen. Auf<lb/>
die Art vermuthete ich zu einer Zeit, daß Sie<lb/>
nicht im Stande wa&#x0364;ren zu &#x017F;chreiben: zu einer<lb/>
andern, daß Jhrer Mutter Verbot <hi rendition="#fr">geho&#x0364;riges</hi><lb/>
Gewicht bey Jhnen ha&#x0364;tte. Allein nunmehr<lb/>
zweifle ich gar nicht, daß der bo&#x0364;&#x017F;e Men&#x017F;ch Jhre<lb/>
Briefe aufgefangen habe: und wu&#x0364;n&#x017F;che nur, daß<lb/>
er nicht auch Mittel gefunden, <hi rendition="#fr">Jhren Bothen<lb/>
zu be&#x017F;techen,</hi> damit er Jhnen eine &#x017F;o &#x017F;elt&#x017F;ame<lb/>
Ge&#x017F;chichte erza&#x0364;hlen mo&#x0364;chte.</p><lb/>
          <p>Es wa&#x0364;re am Sonntage, den 11ten Jun. ge-<lb/>
we&#x017F;en, &#x017F;agen Sie, daß der Bothe mir den Brief<lb/>
gegeben. Jch war an dem Tage zweymal mit<lb/>
Frau Moore in der Kirche. Herr Lovelace war<lb/>
unterde&#x017F;&#x017F;en in ihrem Hau&#x017F;e, wo er &#x017F;einen Ti&#x017F;ch<lb/>
hatte, und auch &#x017F;eine Wohnung auf&#x017F;chlagen woll-<lb/>
te: aber dieß wollte ich nicht zula&#x017F;&#x017F;en, ob ich<lb/>
gleich das andere nicht hindern konnte. Jn ei-<lb/>
ner von die&#x017F;en Zeiten <hi rendition="#fr">muß</hi> es gewe&#x017F;en &#x017F;eyn, daß<lb/>
er Gelegenheit gehabt, an dem Men&#x017F;chen zu ar-<lb/>
beiten. Das werden Sie leicht herausbringen,<lb/>
meine Werthe: wenn Sie &#x017F;ich nur nach der Zeit,<lb/>
da er in Frau Moorens Haus angekommen, und<lb/>
nach andern Um&#x017F;ta&#x0364;nden von dem <hi rendition="#fr">wunderlichen<lb/>
Zu&#x017F;tande,</hi> worinn er mich auf einem Ruhebette<lb/>
und &#x017F;o weiter gefunden zu haben vorgiebet, er-<lb/>
kundigen.</p><lb/>
          <p>Ha&#x0364;tte mich jemand nachher ge&#x017F;ehen, da ich<lb/>
verra&#x0364;theri&#x017F;cher Wei&#x017F;e wieder in das &#x017F;cha&#x0364;ndliche<lb/>
Haus zuru&#x0364;ckgebracht war, unter der Wirkung<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">bo&#x0364;&#x017F;er</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0098] wechſel gehabt, und Sie haͤtten darauf Herrn Hickmanns Beſuch nicht annehmen wollen. Auf die Art vermuthete ich zu einer Zeit, daß Sie nicht im Stande waͤren zu ſchreiben: zu einer andern, daß Jhrer Mutter Verbot gehoͤriges Gewicht bey Jhnen haͤtte. Allein nunmehr zweifle ich gar nicht, daß der boͤſe Menſch Jhre Briefe aufgefangen habe: und wuͤnſche nur, daß er nicht auch Mittel gefunden, Jhren Bothen zu beſtechen, damit er Jhnen eine ſo ſeltſame Geſchichte erzaͤhlen moͤchte. Es waͤre am Sonntage, den 11ten Jun. ge- weſen, ſagen Sie, daß der Bothe mir den Brief gegeben. Jch war an dem Tage zweymal mit Frau Moore in der Kirche. Herr Lovelace war unterdeſſen in ihrem Hauſe, wo er ſeinen Tiſch hatte, und auch ſeine Wohnung aufſchlagen woll- te: aber dieß wollte ich nicht zulaſſen, ob ich gleich das andere nicht hindern konnte. Jn ei- ner von dieſen Zeiten muß es geweſen ſeyn, daß er Gelegenheit gehabt, an dem Menſchen zu ar- beiten. Das werden Sie leicht herausbringen, meine Werthe: wenn Sie ſich nur nach der Zeit, da er in Frau Moorens Haus angekommen, und nach andern Umſtaͤnden von dem wunderlichen Zuſtande, worinn er mich auf einem Ruhebette und ſo weiter gefunden zu haben vorgiebet, er- kundigen. Haͤtte mich jemand nachher geſehen, da ich verraͤtheriſcher Weiſe wieder in das ſchaͤndliche Haus zuruͤckgebracht war, unter der Wirkung boͤſer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/98
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/98>, abgerufen am 01.11.2024.