Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.
Menschenliebe des Erlösers. nicht mit Menschen- sondern mit Engelzungen redensollen. Denket daran, daß sie den Schatz der Reli- gion seln kämpfte, nachher aber noch vor seinem Lehrer starb.
(s. Vjörnstähls Briefe Th. III. S. 147) Herr Geh. Justizrath Pütter in Göttingen ist unter den Staats- rechtslehrern vom ersten Rang bekannt, aber man kennt dem ungeachtet die frommen Schriften dieses verehrungs- würdigen Mannes, die ebenfalls die Frucht seiner sonn- täglichen Beschäftigungen sind. Und eben dieser Gelehrte hat es bemerkt, daß die besten Prediger verdorben wer- den, und ihr Eifer nothwendig erkalten muß, wenn die Stühle und Bänke leer bleiben. Jch habe die richtige Bemerkung von einem großen Fürsten wiederholen ge- hört, daß man auch in einer schlechten Predigt an gute, aber vergeßne Wahrheiten erinnert werde. Ist doch jedes Glied irgend einer Gesellschaft verbunden zu erscheinen, wenn gemeinschaftliche Angelegenheiten verhandelt wer- den! Oder will man sich etwa nicht dafür ansehen lassen, daß man zu der allgemeinen Menschenfamilie gehöre, wo- von Paulus immer redet, wovon Gott der Vater, und Jesus Christus ein Bruder ist? Wenn eine gelehrte Ge- sellschaft, wenn ein Tribunal, wenn ein Collegium, wenn nur eine Schützengesellschaft sich versammlet, so mag kei- ner wegbleiben, der Anspruch auf einen Platz machen darf! Zu den Comitien der Römer kam der gemeinste Bürger so gut, als der Vornehmste, und in Griechenland wäre es für die Größten und Verständigsten Schimpf ge- wesen, wenn sie nicht zu den Versammlungen des Volks gekommen wären. Ein Schüler von Luther, und dankbarer Verehrer seiner Bemühungen zu seyn, ist doch wohl keine Schande. Der gemeinen Leute dürfen sich die Vornehmen nicht schämen. Vor Gott sind alle Rang- ordnungen weniger als nichts, Wahrheit und Tugend wird Menſchenliebe des Erlöſers. nicht mit Menſchen- ſondern mit Engelzungen redenſollen. Denket daran, daß ſie den Schatz der Reli- gion ſeln kämpfte, nachher aber noch vor ſeinem Lehrer ſtarb.
(ſ. Vjörnſtähls Briefe Th. III. S. 147) Herr Geh. Juſtizrath Pütter in Göttingen iſt unter den Staats- rechtslehrern vom erſten Rang bekannt, aber man kennt dem ungeachtet die frommen Schriften dieſes verehrungs- würdigen Mannes, die ebenfalls die Frucht ſeiner ſonn- täglichen Beſchäftigungen ſind. Und eben dieſer Gelehrte hat es bemerkt, daß die beſten Prediger verdorben wer- den, und ihr Eifer nothwendig erkalten muß, wenn die Stühle und Bänke leer bleiben. Jch habe die richtige Bemerkung von einem großen Fürſten wiederholen ge- hört, daß man auch in einer ſchlechten Predigt an gute, aber vergeßne Wahrheiten erinnert werde. Iſt doch jedes Glied irgend einer Geſellſchaft verbunden zu erſcheinen, wenn gemeinſchaftliche Angelegenheiten verhandelt wer- den! Oder will man ſich etwa nicht dafür anſehen laſſen, daß man zu der allgemeinen Menſchenfamilie gehöre, wo- von Paulus immer redet, wovon Gott der Vater, und Jeſus Chriſtus ein Bruder iſt? Wenn eine gelehrte Ge- ſellſchaft, wenn ein Tribunal, wenn ein Collegium, wenn nur eine Schützengeſellſchaft ſich verſammlet, ſo mag kei- ner wegbleiben, der Anſpruch auf einen Platz machen darf! Zu den Comitien der Römer kam der gemeinſte Bürger ſo gut, als der Vornehmſte, und in Griechenland wäre es für die Größten und Verſtändigſten Schimpf ge- weſen, wenn ſie nicht zu den Verſammlungen des Volks gekommen wären. Ein Schüler von Luther, und dankbarer Verehrer ſeiner Bemühungen zu ſeyn, iſt doch wohl keine Schande. Der gemeinen Leute dürfen ſich die Vornehmen nicht ſchämen. Vor Gott ſind alle Rang- ordnungen weniger als nichts, Wahrheit und Tugend wird <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0224" n="218"/><fw place="top" type="header">Menſchenliebe des Erlöſers.</fw><lb/> nicht mit Menſchen- ſondern mit Engelzungen reden<lb/> ſollen. Denket daran, <hi rendition="#fr">daß ſie den Schatz der Reli-</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">gion</hi></fw><lb/><note next="#n03c" xml:id="n03b" prev="#n03a" place="foot" n="*)">ſeln kämpfte, nachher aber noch vor ſeinem Lehrer ſtarb.<lb/> (ſ. <hi rendition="#fr">Vjörnſtähls</hi> Briefe Th. <hi rendition="#aq">III.</hi> S. 147) Herr Geh.<lb/> Juſtizrath <hi rendition="#fr">Pütter</hi> in Göttingen iſt unter den Staats-<lb/> rechtslehrern vom erſten Rang bekannt, aber man kennt<lb/> dem ungeachtet die frommen Schriften dieſes verehrungs-<lb/> würdigen Mannes, die ebenfalls die Frucht ſeiner ſonn-<lb/> täglichen Beſchäftigungen ſind. Und eben dieſer Gelehrte<lb/> hat es bemerkt, daß die beſten Prediger verdorben wer-<lb/> den, und ihr Eifer nothwendig erkalten muß, wenn die<lb/> Stühle und Bänke leer bleiben. Jch habe die richtige<lb/> Bemerkung von einem großen Fürſten wiederholen ge-<lb/> hört, daß man auch in einer ſchlechten Predigt an gute,<lb/> aber vergeßne Wahrheiten erinnert werde. Iſt doch jedes<lb/> Glied irgend einer Geſellſchaft verbunden zu erſcheinen,<lb/> wenn gemeinſchaftliche Angelegenheiten verhandelt wer-<lb/> den! Oder will man ſich etwa nicht dafür anſehen laſſen,<lb/> daß man zu der allgemeinen Menſchenfamilie gehöre, wo-<lb/> von Paulus immer redet, wovon Gott der Vater, und<lb/> Jeſus Chriſtus ein Bruder iſt? Wenn eine gelehrte Ge-<lb/> ſellſchaft, wenn ein Tribunal, wenn ein Collegium, wenn<lb/> nur eine Schützengeſellſchaft ſich verſammlet, ſo mag kei-<lb/> ner wegbleiben, der Anſpruch auf einen Platz machen<lb/> darf! Zu den Comitien der Römer kam der gemeinſte<lb/> Bürger ſo gut, als der Vornehmſte, und in Griechenland<lb/> wäre es für die Größten und Verſtändigſten Schimpf ge-<lb/> weſen, wenn ſie nicht zu den Verſammlungen des Volks<lb/> gekommen wären. Ein Schüler von <hi rendition="#fr">Luther,</hi> und<lb/> dankbarer Verehrer ſeiner Bemühungen zu ſeyn, iſt doch<lb/> wohl keine Schande. Der gemeinen Leute dürfen ſich<lb/> die Vornehmen nicht ſchämen. Vor Gott ſind alle Rang-<lb/> ordnungen weniger als nichts, Wahrheit und Tugend<lb/> <fw place="bottom" type="catch">wird</fw></note><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [218/0224]
Menſchenliebe des Erlöſers.
nicht mit Menſchen- ſondern mit Engelzungen reden
ſollen. Denket daran, daß ſie den Schatz der Reli-
gion
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*) ſeln kämpfte, nachher aber noch vor ſeinem Lehrer ſtarb.
(ſ. Vjörnſtähls Briefe Th. III. S. 147) Herr Geh.
Juſtizrath Pütter in Göttingen iſt unter den Staats-
rechtslehrern vom erſten Rang bekannt, aber man kennt
dem ungeachtet die frommen Schriften dieſes verehrungs-
würdigen Mannes, die ebenfalls die Frucht ſeiner ſonn-
täglichen Beſchäftigungen ſind. Und eben dieſer Gelehrte
hat es bemerkt, daß die beſten Prediger verdorben wer-
den, und ihr Eifer nothwendig erkalten muß, wenn die
Stühle und Bänke leer bleiben. Jch habe die richtige
Bemerkung von einem großen Fürſten wiederholen ge-
hört, daß man auch in einer ſchlechten Predigt an gute,
aber vergeßne Wahrheiten erinnert werde. Iſt doch jedes
Glied irgend einer Geſellſchaft verbunden zu erſcheinen,
wenn gemeinſchaftliche Angelegenheiten verhandelt wer-
den! Oder will man ſich etwa nicht dafür anſehen laſſen,
daß man zu der allgemeinen Menſchenfamilie gehöre, wo-
von Paulus immer redet, wovon Gott der Vater, und
Jeſus Chriſtus ein Bruder iſt? Wenn eine gelehrte Ge-
ſellſchaft, wenn ein Tribunal, wenn ein Collegium, wenn
nur eine Schützengeſellſchaft ſich verſammlet, ſo mag kei-
ner wegbleiben, der Anſpruch auf einen Platz machen
darf! Zu den Comitien der Römer kam der gemeinſte
Bürger ſo gut, als der Vornehmſte, und in Griechenland
wäre es für die Größten und Verſtändigſten Schimpf ge-
weſen, wenn ſie nicht zu den Verſammlungen des Volks
gekommen wären. Ein Schüler von Luther, und
dankbarer Verehrer ſeiner Bemühungen zu ſeyn, iſt doch
wohl keine Schande. Der gemeinen Leute dürfen ſich
die Vornehmen nicht ſchämen. Vor Gott ſind alle Rang-
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