Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705.Weibern hochgehaltenen Aberglauben. als/ sie wüsten es selbst nicht. Dahero habe ichofft bey mir selbst darüber speculiret/ ob ich ir- gend eine natürliche Ursach hierzu finden möch- te/ habe aber nichts ergründen können. End- lich aber hinter die Wahrheit zu kommen/ habe ich selbsten Eßig angestellet/ und den Eßig-Krug gar offt auff den Tisch gesetzt/ denselben auch auff dem Tische angefüllet/ und habe dennoch gar gu- ten Eßig behalten; ja/ was noch mehr ist/ kan ich einen noch diese Stunde Kirschen- und Meyen- Blumen-Eßig weisen/ den ich vor 8. Jahren schon auffgestellet habe/ und inzwischen wohl 20. mahl auff den Tisch gesetzt gehabt/ der doch noch biß dato so schön und sauer ist/ daß mir schwerlich iemand bessern wird weisen können. Hinge- gen erinnere ich mich/ daß viele wegen ihres Zorns und Boßheit halber sehr beruffene Wei- ber/ zu mir gekommen sind/ und mir geklaget ha- ben/ daß ihnen ihr Eßig nicht wolte gut werden/ ohnerachtet sie solchen doch auff keinen Tisch ge- bracht hätten. Woraus abzunehmen ist/ daß die Meynung vom Tisch setzen nichts/ als ein offenbarer Aberglauben ist/ den Christliche Hauß-Mütter nicht nachhengen sollen. Das
Weibern hochgehaltenen Aberglauben. als/ ſie wuͤſten es ſelbſt nicht. Dahero habe ichofft bey mir ſelbſt daruͤber ſpeculiret/ ob ich ir- gend eine natuͤrliche Urſach hierzu finden moͤch- te/ habe aber nichts ergruͤnden koͤnnen. End- lich aber hinter die Wahrheit zu kommen/ habe ich ſelbſten Eßig angeſtellet/ und den Eßig-Krug gar offt auff den Tiſch geſetzt/ denſelben auch auff dem Tiſche angefuͤllet/ und habe dennoch gar gu- ten Eßig behalten; ja/ was noch mehr iſt/ kan ich einen noch dieſe Stunde Kirſchen- und Meyen- Blumen-Eßig weiſen/ den ich vor 8. Jahren ſchon auffgeſtellet habe/ und inzwiſchen wohl 20. mahl auff den Tiſch geſetzt gehabt/ der doch noch biß dato ſo ſchoͤn und ſauer iſt/ daß mir ſchwerlich iemand beſſern wird weiſen koͤnnen. Hinge- gen erinnere ich mich/ daß viele wegen ihres Zorns und Boßheit halber ſehr beruffene Wei- ber/ zu mir gekommen ſind/ und mir geklaget ha- ben/ daß ihnen ihr Eßig nicht wolte gut werden/ ohnerachtet ſie ſolchen doch auff keinen Tiſch ge- bracht haͤtten. Woraus abzunehmen iſt/ daß die Meynung vom Tiſch ſetzen nichts/ als ein offenbarer Aberglauben iſt/ den Chriſtliche Hauß-Muͤtter nicht nachhengen ſollen. Das
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Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
als/ ſie wuͤſten es ſelbſt nicht. Dahero habe ich
offt bey mir ſelbſt daruͤber ſpeculiret/ ob ich ir-
gend eine natuͤrliche Urſach hierzu finden moͤch-
te/ habe aber nichts ergruͤnden koͤnnen. End-
lich aber hinter die Wahrheit zu kommen/ habe
ich ſelbſten Eßig angeſtellet/ und den Eßig-Krug
gar offt auff den Tiſch geſetzt/ denſelben auch auff
dem Tiſche angefuͤllet/ und habe dennoch gar gu-
ten Eßig behalten; ja/ was noch mehr iſt/ kan ich
einen noch dieſe Stunde Kirſchen- und Meyen-
Blumen-Eßig weiſen/ den ich vor 8. Jahren
ſchon auffgeſtellet habe/ und inzwiſchen wohl 20.
mahl auff den Tiſch geſetzt gehabt/ der doch noch
biß dato ſo ſchoͤn und ſauer iſt/ daß mir ſchwerlich
iemand beſſern wird weiſen koͤnnen. Hinge-
gen erinnere ich mich/ daß viele wegen ihres
Zorns und Boßheit halber ſehr beruffene Wei-
ber/ zu mir gekommen ſind/ und mir geklaget ha-
ben/ daß ihnen ihr Eßig nicht wolte gut werden/
ohnerachtet ſie ſolchen doch auff keinen Tiſch ge-
bracht haͤtten. Woraus abzunehmen iſt/ daß
die Meynung vom Tiſch ſetzen nichts/ als ein
offenbarer Aberglauben iſt/ den Chriſtliche
Hauß-Muͤtter nicht nachhengen
ſollen.
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