Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

zahlt, und wiederzukommen versprochen, doch biß
itzo ihr Wort nicht gehalten, und allem Ansehen
nach mich beschneutzet hätten.

Also war derjenige Schatz, den ich unverhofft
gefunden, auch unverhofft wieder verschwunden,
indem ich ausser den angeschafften Sachen, die in
meinem Quartier langen, nicht einen blutigen Hel-
ler mehr im Beutel hatte. Jch blieb zwar noch
einige Stunden bey dem Weinschencken sitzen, und
hoffte auf der Herrn Sauff-Brüder sröliche Wie-
derkunfft, allein, mein Warten war vergebens,
und da der Wirth gehöret, daß ich kein Geld mehr
zu versauffen hatte, gab er mir noch darzu scheele
Gesichter, weßwegen ich mich eben zum Hinweg-
gehen bereiten wolte, als ein ansehnlicher Cava-
ner in die Stube trat, und ein Glaß Wein forderte.
Er sagte mit einer freundlichen Mine, doch schlecht
deutschen Worten zu mir: Mein Freund, gehet
meinetwegen nicht hinweg, denn ich sitze nicht gern
allein, sondern spreche lieber mit Leuten. Mein
Herr! gab ich zur Antwort, ich werde an diesem
mi[r] unglückseligen Orte nicht länger bleiben kön-
nen, denn man hat mich gestern Abend allhier ver-
führet, einen Rausch zu trincken, nachdem ich nun
darüber eingeschlaffen, ist mir alles mein Geld, so
ich bey mir gehabt, gestohlen worden. Bleibet
hier, wiederredete er, ich will vor euch bezahlen,
doch erweiset mir den Gefallen, und erzehlet um-
ständlicher, was euch begegnet ist. Weiln ich nun
einen starcken Durst verspürete, ließ ich mich nicht
zweymahl nöthigen, sondern blieb da, und erzehlete
dem Cavalier meine gantze Lebens-Geschicht von

Jugend
H 4

zahlt, und wiederzukommen verſprochen, doch biß
itzo ihr Wort nicht gehalten, und allem Anſehen
nach mich beſchneutzet haͤtten.

Alſo war derjenige Schatz, den ich unverhofft
gefunden, auch unverhofft wieder verſchwunden,
indem ich auſſer den angeſchafften Sachen, die in
meinem Quartier langen, nicht einen blutigen Hel-
ler mehr im Beutel hatte. Jch blieb zwar noch
einige Stunden bey dem Weinſchencken ſitzen, und
hoffte auf der Herrn Sauff-Bruͤder ſroͤliche Wie-
derkunfft, allein, mein Warten war vergebens,
und da der Wirth gehoͤret, daß ich kein Geld mehr
zu verſauffen hatte, gab er mir noch darzu ſcheele
Geſichter, weßwegen ich mich eben zum Hinweg-
gehen bereiten wolte, als ein anſehnlicher Cava-
ner in die Stube trat, und ein Glaß Wein forderte.
Er ſagte mit einer freundlichen Mine, doch ſchlecht
deutſchen Worten zu mir: Mein Freund, gehet
meinetwegen nicht hinweg, denn ich ſitze nicht gern
allein, ſondern ſpreche lieber mit Leuten. Mein
Herr! gab ich zur Antwort, ich werde an dieſem
mi[r] ungluͤckſeligen Orte nicht laͤnger bleiben koͤn-
nen, denn man hat mich geſtern Abend allhier ver-
fuͤhret, einen Rauſch zu trincken, nachdem ich nun
daruͤber eingeſchlaffen, iſt mir alles mein Geld, ſo
ich bey mir gehabt, geſtohlen worden. Bleibet
hier, wiederredete er, ich will vor euch bezahlen,
doch erweiſet mir den Gefallen, und erzehlet um-
ſtaͤndlicher, was euch begegnet iſt. Weiln ich nun
einen ſtarcken Durſt verſpuͤrete, ließ ich mich nicht
zweymahl noͤthigen, ſondern blieb da, und erzehlete
dem Cavalier meine gantze Lebens-Geſchicht von

Jugend
H 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0133" n="119"/>
zahlt, und wiederzukommen ver&#x017F;prochen, doch biß<lb/>
itzo ihr Wort nicht gehalten, und allem An&#x017F;ehen<lb/>
nach mich be&#x017F;chneutzet ha&#x0364;tten.</p><lb/>
        <p>Al&#x017F;o war derjenige Schatz, den ich unverhofft<lb/>
gefunden, auch unverhofft wieder ver&#x017F;chwunden,<lb/>
indem ich au&#x017F;&#x017F;er den ange&#x017F;chafften Sachen, die in<lb/>
meinem Quartier langen, nicht einen blutigen Hel-<lb/>
ler mehr im Beutel hatte. Jch blieb zwar noch<lb/>
einige Stunden bey dem Wein&#x017F;chencken &#x017F;itzen, und<lb/>
hoffte auf der Herrn Sauff-Bru&#x0364;der &#x017F;ro&#x0364;liche Wie-<lb/>
derkunfft, allein, mein Warten war vergebens,<lb/>
und da der Wirth geho&#x0364;ret, daß ich kein Geld mehr<lb/>
zu ver&#x017F;auffen hatte, gab er mir noch darzu &#x017F;cheele<lb/>
Ge&#x017F;ichter, weßwegen ich mich eben zum Hinweg-<lb/>
gehen bereiten wolte, als ein an&#x017F;ehnlicher Cava-<lb/>
ner in die Stube trat, und ein Glaß Wein forderte.<lb/>
Er &#x017F;agte mit einer freundlichen Mine, doch &#x017F;chlecht<lb/>
deut&#x017F;chen Worten zu mir: Mein Freund, gehet<lb/>
meinetwegen nicht hinweg, denn ich &#x017F;itze nicht gern<lb/>
allein, &#x017F;ondern &#x017F;preche lieber mit Leuten. Mein<lb/>
Herr! gab ich zur Antwort, ich werde an die&#x017F;em<lb/>
mi<supplied>r</supplied> unglu&#x0364;ck&#x017F;eligen Orte nicht la&#x0364;nger bleiben ko&#x0364;n-<lb/>
nen, denn man hat mich ge&#x017F;tern Abend allhier ver-<lb/>
fu&#x0364;hret, einen Rau&#x017F;ch zu trincken, nachdem ich nun<lb/>
daru&#x0364;ber einge&#x017F;chlaffen, i&#x017F;t mir alles mein Geld, &#x017F;o<lb/>
ich bey mir gehabt, ge&#x017F;tohlen worden. Bleibet<lb/>
hier, wiederredete er, ich will vor euch bezahlen,<lb/>
doch erwei&#x017F;et mir den Gefallen, und erzehlet um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndlicher, was euch begegnet i&#x017F;t. Weiln ich nun<lb/>
einen &#x017F;tarcken Dur&#x017F;t ver&#x017F;pu&#x0364;rete, ließ ich mich nicht<lb/>
zweymahl no&#x0364;thigen, &#x017F;ondern blieb da, und erzehlete<lb/>
dem Cavalier meine gantze Lebens-Ge&#x017F;chicht von<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Jugend</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[119/0133] zahlt, und wiederzukommen verſprochen, doch biß itzo ihr Wort nicht gehalten, und allem Anſehen nach mich beſchneutzet haͤtten. Alſo war derjenige Schatz, den ich unverhofft gefunden, auch unverhofft wieder verſchwunden, indem ich auſſer den angeſchafften Sachen, die in meinem Quartier langen, nicht einen blutigen Hel- ler mehr im Beutel hatte. Jch blieb zwar noch einige Stunden bey dem Weinſchencken ſitzen, und hoffte auf der Herrn Sauff-Bruͤder ſroͤliche Wie- derkunfft, allein, mein Warten war vergebens, und da der Wirth gehoͤret, daß ich kein Geld mehr zu verſauffen hatte, gab er mir noch darzu ſcheele Geſichter, weßwegen ich mich eben zum Hinweg- gehen bereiten wolte, als ein anſehnlicher Cava- ner in die Stube trat, und ein Glaß Wein forderte. Er ſagte mit einer freundlichen Mine, doch ſchlecht deutſchen Worten zu mir: Mein Freund, gehet meinetwegen nicht hinweg, denn ich ſitze nicht gern allein, ſondern ſpreche lieber mit Leuten. Mein Herr! gab ich zur Antwort, ich werde an dieſem mir ungluͤckſeligen Orte nicht laͤnger bleiben koͤn- nen, denn man hat mich geſtern Abend allhier ver- fuͤhret, einen Rauſch zu trincken, nachdem ich nun daruͤber eingeſchlaffen, iſt mir alles mein Geld, ſo ich bey mir gehabt, geſtohlen worden. Bleibet hier, wiederredete er, ich will vor euch bezahlen, doch erweiſet mir den Gefallen, und erzehlet um- ſtaͤndlicher, was euch begegnet iſt. Weiln ich nun einen ſtarcken Durſt verſpuͤrete, ließ ich mich nicht zweymahl noͤthigen, ſondern blieb da, und erzehlete dem Cavalier meine gantze Lebens-Geſchicht von Jugend H 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/133
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/133>, abgerufen am 31.10.2024.