Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

back rauchen, und dann und wann am Felsen her-
um spatzieren, wobey er sich mehrentheils auf eine
recht närrische Art mit pfeiffen und singen hören
ließ, vor seine künfftige Lebens-Erhaltung aber trug
er nicht die geringste Sorge. Mons. van Leuven
machte bey seiner Liebsten lauter tieffsinnige Calen-
der, und wenn es nur auf sein speculiren ankommen
wäre, hätten wir, glaube ich, in einem Tage mehr
Brodt, Fleisch, Wein und andere Victualien be-
kommen, als 100. Mann in einem Jahre kaum
aufessen können, oder es solte uns ohnfehlbar ent-
weder ein Lufft- oder See-Schiff in einem Augen-
blicke nach Ceylon geführet haben. Jch merckte
zwar wohl, daß die guten Leute mit dergleichen Le-
beus-Art der bevorstehenden Hungers-Noth kein
Quee vorlegen würden, doch weil ich der jüngste
unter ihnen, und auch selbst nicht den geringsten gu-
ten Rath zu ersinnen wuste, unterstund ich mich
zwar nicht die Lebens-Art älterer Leute zu tadeln,
wolte aber doch auch nicht so verdüstert bey ihnen
sitzen dleiben, kletterte derowegen an den Felsen her-
um so hoch ich kommen konte, in beständiger Hoff-
nung etwas neues und gutes anzutreffen. Und
eben diese meine Hoffnung betrog mich nicht:
Denn da ich eine ziemlich hohe Klippe, worauff ich
mich ziemlich weit umsehen konte, erklettert hatte,
erblickte ich jenseit des Flusses der sich Westwärts
aus dem Felsen ins Meer ergoß, auf dem Sande vie-
le Thiere, welche halb einem Hunde, und halb einem
Fische ähnlich sahen. Jch säumete mich nicht, die
Klippe eiligst wieder herunter zu klettern, lieff zu
Mons. van Leuven, und sagte: Monsieur, wenn

wir

back rauchen, und dann und wann am Felſen her-
um ſpatzieren, wobey er ſich mehrentheils auf eine
recht naͤrriſche Art mit pfeiffen und ſingen hoͤren
ließ, vor ſeine kuͤnfftige Lebens-Erhaltung aber trug
er nicht die geringſte Sorge. Monſ. van Leuven
machte bey ſeiner Liebſten lauter tieffſinnige Calen-
der, und wenn es nur auf ſein ſpeculiren ankommen
waͤre, haͤtten wir, glaube ich, in einem Tage mehr
Brodt, Fleiſch, Wein und andere Victualien be-
kommen, als 100. Mann in einem Jahre kaum
aufeſſen koͤnnen, oder es ſolte uns ohnfehlbar ent-
weder ein Lufft- oder See-Schiff in einem Augen-
blicke nach Ceylon gefuͤhret haben. Jch merckte
zwar wohl, daß die guten Leute mit dergleichen Le-
beus-Art der bevorſtehenden Hungers-Noth kein
Quee vorlegen wuͤrden, doch weil ich der juͤngſte
unter ihnen, und auch ſelbſt nicht den geringſten gu-
ten Rath zu erſinnen wuſte, unterſtund ich mich
zwar nicht die Lebens-Art aͤlterer Leute zu tadeln,
wolte aber doch auch nicht ſo verduͤſtert bey ihnen
ſitzen dleiben, kletterte derowegen an den Felſen her-
um ſo hoch ich kommen konte, in beſtaͤndiger Hoff-
nung etwas neues und gutes anzutreffen. Und
eben dieſe meine Hoffnung betrog mich nicht:
Denn da ich eine ziemlich hohe Klippe, worauff ich
mich ziemlich weit umſehen konte, erklettert hatte,
erblickte ich jenſeit des Fluſſes der ſich Weſtwaͤrts
aus dem Felſen ins Meer ergoß, auf dem Sande vie-
le Thiere, welche halb einem Hunde, und halb einem
Fiſche aͤhnlich ſahen. Jch ſaͤumete mich nicht, die
Klippe eiligſt wieder herunter zu klettern, lieff zu
Monſ. van Leuven, und ſagte: Monſieur, wenn

wir
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0166" n="152"/>
back rauchen, und dann und wann am Fel&#x017F;en her-<lb/>
um &#x017F;patzieren, wobey er &#x017F;ich mehrentheils auf eine<lb/>
recht na&#x0364;rri&#x017F;che Art mit pfeiffen und &#x017F;ingen ho&#x0364;ren<lb/>
ließ, vor &#x017F;eine ku&#x0364;nfftige Lebens-Erhaltung aber trug<lb/>
er nicht die gering&#x017F;te Sorge. <hi rendition="#aq">Mon&#x017F;. van Leuven</hi><lb/>
machte bey &#x017F;einer Lieb&#x017F;ten lauter tieff&#x017F;innige Calen-<lb/>
der, und wenn es nur auf &#x017F;ein <hi rendition="#aq">&#x017F;peculir</hi>en ankommen<lb/>
wa&#x0364;re, ha&#x0364;tten wir, glaube ich, in einem Tage mehr<lb/>
Brodt, Flei&#x017F;ch, Wein und andere <hi rendition="#aq">Victuali</hi>en be-<lb/>
kommen, als 100. Mann in einem Jahre kaum<lb/>
aufe&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnen, oder es &#x017F;olte uns ohnfehlbar ent-<lb/>
weder ein Lufft- oder See-Schiff in einem Augen-<lb/>
blicke nach <hi rendition="#aq">Ceylon</hi> gefu&#x0364;hret haben. Jch merckte<lb/>
zwar wohl, daß die guten Leute mit dergleichen Le-<lb/>
beus-Art der bevor&#x017F;tehenden Hungers-Noth kein<lb/>
Quee vorlegen wu&#x0364;rden, doch weil ich der ju&#x0364;ng&#x017F;te<lb/>
unter ihnen, und auch &#x017F;elb&#x017F;t nicht den gering&#x017F;ten gu-<lb/>
ten Rath zu er&#x017F;innen wu&#x017F;te, unter&#x017F;tund ich mich<lb/>
zwar nicht die Lebens-Art a&#x0364;lterer Leute zu tadeln,<lb/>
wolte aber doch auch nicht &#x017F;o verdu&#x0364;&#x017F;tert bey ihnen<lb/>
&#x017F;itzen dleiben, kletterte derowegen an den Fel&#x017F;en her-<lb/>
um &#x017F;o hoch ich kommen konte, in be&#x017F;ta&#x0364;ndiger Hoff-<lb/>
nung etwas neues und gutes anzutreffen. Und<lb/>
eben die&#x017F;e meine Hoffnung betrog mich nicht:<lb/>
Denn da ich eine ziemlich hohe Klippe, worauff ich<lb/>
mich ziemlich weit um&#x017F;ehen konte, erklettert hatte,<lb/>
erblickte ich jen&#x017F;eit des Flu&#x017F;&#x017F;es der &#x017F;ich We&#x017F;twa&#x0364;rts<lb/>
aus dem Fel&#x017F;en ins Meer ergoß, auf dem Sande vie-<lb/>
le Thiere, welche halb einem Hunde, und halb einem<lb/>
Fi&#x017F;che a&#x0364;hnlich &#x017F;ahen. Jch &#x017F;a&#x0364;umete mich nicht, die<lb/>
Klippe eilig&#x017F;t wieder herunter zu klettern, lieff zu<lb/><hi rendition="#aq">Mon&#x017F;. van Leuven,</hi> und &#x017F;agte: <hi rendition="#aq">Mon&#x017F;ieur,</hi> wenn<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wir</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[152/0166] back rauchen, und dann und wann am Felſen her- um ſpatzieren, wobey er ſich mehrentheils auf eine recht naͤrriſche Art mit pfeiffen und ſingen hoͤren ließ, vor ſeine kuͤnfftige Lebens-Erhaltung aber trug er nicht die geringſte Sorge. Monſ. van Leuven machte bey ſeiner Liebſten lauter tieffſinnige Calen- der, und wenn es nur auf ſein ſpeculiren ankommen waͤre, haͤtten wir, glaube ich, in einem Tage mehr Brodt, Fleiſch, Wein und andere Victualien be- kommen, als 100. Mann in einem Jahre kaum aufeſſen koͤnnen, oder es ſolte uns ohnfehlbar ent- weder ein Lufft- oder See-Schiff in einem Augen- blicke nach Ceylon gefuͤhret haben. Jch merckte zwar wohl, daß die guten Leute mit dergleichen Le- beus-Art der bevorſtehenden Hungers-Noth kein Quee vorlegen wuͤrden, doch weil ich der juͤngſte unter ihnen, und auch ſelbſt nicht den geringſten gu- ten Rath zu erſinnen wuſte, unterſtund ich mich zwar nicht die Lebens-Art aͤlterer Leute zu tadeln, wolte aber doch auch nicht ſo verduͤſtert bey ihnen ſitzen dleiben, kletterte derowegen an den Felſen her- um ſo hoch ich kommen konte, in beſtaͤndiger Hoff- nung etwas neues und gutes anzutreffen. Und eben dieſe meine Hoffnung betrog mich nicht: Denn da ich eine ziemlich hohe Klippe, worauff ich mich ziemlich weit umſehen konte, erklettert hatte, erblickte ich jenſeit des Fluſſes der ſich Weſtwaͤrts aus dem Felſen ins Meer ergoß, auf dem Sande vie- le Thiere, welche halb einem Hunde, und halb einem Fiſche aͤhnlich ſahen. Jch ſaͤumete mich nicht, die Klippe eiligſt wieder herunter zu klettern, lieff zu Monſ. van Leuven, und ſagte: Monſieur, wenn wir

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/166
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/166>, abgerufen am 01.11.2024.