Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

Uber diesen Bericht nun hatte ein jedes seine be-
sondere Gedancken, Mons. van Leuven aber unter-
brach dieselben, indem er sich um den Lemelie be-
kümmerte, und gern wissen möchte, wo sich dieser
aufhielte. Meine Muthmassungen waren, daß er
vielleicht voch vor uns durch den Schrecken aus der
Höle gejagt worden, und sich etwa hier oder da auf
der Jnsul befände; allein, nach dem wir den übrigen
Theil der Nacht ohne fernern Schlaff hingebracht,
und nunmehro das Sonnen-Licht mit Freuden wie-
der empor kommen sahen, kam auch Lemelie un-
verhofft aus der Höle heraus gegangen.

Dieser bekannte auf unser Befragen so gleich, daß
er weder etwas gesehen, noch vielweniger gehöret ha-
be, und verwunderte sich ziemlich, da wir ihm von
allen Begebenheiten voriger Nacht ausführlich
Nachricht gaben. Wir hielten ihn also vor glückli-
cher als uns, stunden aber auf, und besichtigten nicht
allein die Höle, sondern auch den gantzen Hügel,
fanden jedoch nicht das geringste Versehr, Ritze o-
der Spalte, sondern alles in unveränderten guten
Stande. Lemelie sagte derowegen: Glaubet mir
sicher, meine Freunde! es ist alles ein pures Gau-
ckel-Spiel der im Fegefeuer sitzenden Seele des Don
Cyrillo de Valaro.
Ach wie gern wolte ich einem
Römisch-Catholischen Priester 100. Creutz-Thaler
Seel-Meß-Gelder zahlen, um dieselbe daraus zu er-
lösen, wenn er nur gegenwärtig wäre, und uns in
vollkommene Ruhe setzen könte.

Van Leuven und ich hielten nicht vor rathsam, die-
sem einfältigen Tropffen zu wiedersprechen, liessen

ihn

Uber dieſen Bericht nun hatte ein jedes ſeine be-
ſondere Gedancken, Monſ. van Leuven aber unter-
brach dieſelben, indem er ſich um den Lemelie be-
kuͤmmerte, und gern wiſſen moͤchte, wo ſich dieſer
aufhielte. Meine Muthmaſſungen waren, daß er
vielleicht voch vor uns durch den Schrecken aus der
Hoͤle gejagt worden, und ſich etwa hier oder da auf
der Jnſul befaͤnde; allein, nach dem wir den uͤbrigen
Theil der Nacht ohne fernern Schlaff hingebracht,
und nunmehro das Sonnen-Licht mit Freuden wie-
der empor kommen ſahen, kam auch Lemelie un-
verhofft aus der Hoͤle heraus gegangen.

Dieſer bekannte auf unſer Befragen ſo gleich, daß
er weder etwas geſehen, noch vielweniger gehoͤret ha-
be, und verwunderte ſich ziemlich, da wir ihm von
allen Begebenheiten voriger Nacht ausfuͤhrlich
Nachricht gaben. Wir hielten ihn alſo vor gluͤckli-
cher als uns, ſtunden aber auf, und beſichtigten nicht
allein die Hoͤle, ſondern auch den gantzen Huͤgel,
fanden jedoch nicht das geringſte Verſehr, Ritze o-
der Spalte, ſondern alles in unveraͤnderten guten
Stande. Lemelie ſagte derowegen: Glaubet mir
ſicher, meine Freunde! es iſt alles ein pures Gau-
ckel-Spiel der im Fegefeuer ſitzenden Seele des Don
Cyrillo de Valaro.
Ach wie gern wolte ich einem
Roͤmiſch-Catholiſchen Prieſter 100. Creutz-Thaler
Seel-Meß-Gelder zahlen, um dieſelbe daraus zu er-
loͤſen, wenn er nur gegenwaͤrtig waͤre, und uns in
vollkommene Ruhe ſetzen koͤnte.

Van Leuven und ich hielten nicht vor rathſam, die-
ſem einfaͤltigen Tropffen zu wiederſprechen, lieſſen

ihn
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0212" n="198"/>
        <p>Uber die&#x017F;en Bericht nun hatte ein jedes &#x017F;eine be-<lb/>
&#x017F;ondere Gedancken, <hi rendition="#aq">Mon&#x017F;. van Leuven</hi> aber unter-<lb/>
brach die&#x017F;elben, indem er &#x017F;ich um den <hi rendition="#aq">Lemelie</hi> be-<lb/>
ku&#x0364;mmerte, und gern wi&#x017F;&#x017F;en mo&#x0364;chte, wo &#x017F;ich die&#x017F;er<lb/>
aufhielte. Meine Muthma&#x017F;&#x017F;ungen waren, daß er<lb/>
vielleicht voch vor uns durch den Schrecken aus der<lb/>
Ho&#x0364;le gejagt worden, und &#x017F;ich etwa hier oder da auf<lb/>
der Jn&#x017F;ul befa&#x0364;nde; allein, nach dem wir den u&#x0364;brigen<lb/>
Theil der Nacht ohne fernern Schlaff hingebracht,<lb/>
und nunmehro das Sonnen-Licht mit Freuden wie-<lb/>
der empor kommen &#x017F;ahen, kam auch <hi rendition="#aq">Lemelie</hi> un-<lb/>
verhofft aus der Ho&#x0364;le heraus gegangen.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;er bekannte auf un&#x017F;er Befragen &#x017F;o gleich, daß<lb/>
er weder etwas ge&#x017F;ehen, noch vielweniger geho&#x0364;ret ha-<lb/>
be, und verwunderte &#x017F;ich ziemlich, da wir ihm von<lb/>
allen Begebenheiten voriger Nacht ausfu&#x0364;hrlich<lb/>
Nachricht gaben. Wir hielten ihn al&#x017F;o vor glu&#x0364;ckli-<lb/>
cher als uns, &#x017F;tunden aber auf, und be&#x017F;ichtigten nicht<lb/>
allein die Ho&#x0364;le, &#x017F;ondern auch den gantzen Hu&#x0364;gel,<lb/>
fanden jedoch nicht das gering&#x017F;te Ver&#x017F;ehr, Ritze o-<lb/>
der Spalte, &#x017F;ondern alles in unvera&#x0364;nderten guten<lb/>
Stande. <hi rendition="#aq">Lemelie</hi> &#x017F;agte derowegen: Glaubet mir<lb/>
&#x017F;icher, meine Freunde! es i&#x017F;t alles ein pures Gau-<lb/>
ckel-Spiel der im Fegefeuer &#x017F;itzenden Seele des <hi rendition="#aq">Don<lb/>
Cyrillo de Valaro.</hi> Ach wie gern wolte ich einem<lb/>
Ro&#x0364;mi&#x017F;ch-Catholi&#x017F;chen Prie&#x017F;ter 100. Creutz-Thaler<lb/>
Seel-Meß-Gelder zahlen, um die&#x017F;elbe daraus zu er-<lb/>
lo&#x0364;&#x017F;en, wenn er nur gegenwa&#x0364;rtig wa&#x0364;re, und uns in<lb/>
vollkommene Ruhe &#x017F;etzen ko&#x0364;nte.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#aq">Van Leuven</hi> und ich hielten nicht vor rath&#x017F;am, die-<lb/>
&#x017F;em einfa&#x0364;ltigen Tropffen zu wieder&#x017F;prechen, lie&#x017F;&#x017F;en<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ihn</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[198/0212] Uber dieſen Bericht nun hatte ein jedes ſeine be- ſondere Gedancken, Monſ. van Leuven aber unter- brach dieſelben, indem er ſich um den Lemelie be- kuͤmmerte, und gern wiſſen moͤchte, wo ſich dieſer aufhielte. Meine Muthmaſſungen waren, daß er vielleicht voch vor uns durch den Schrecken aus der Hoͤle gejagt worden, und ſich etwa hier oder da auf der Jnſul befaͤnde; allein, nach dem wir den uͤbrigen Theil der Nacht ohne fernern Schlaff hingebracht, und nunmehro das Sonnen-Licht mit Freuden wie- der empor kommen ſahen, kam auch Lemelie un- verhofft aus der Hoͤle heraus gegangen. Dieſer bekannte auf unſer Befragen ſo gleich, daß er weder etwas geſehen, noch vielweniger gehoͤret ha- be, und verwunderte ſich ziemlich, da wir ihm von allen Begebenheiten voriger Nacht ausfuͤhrlich Nachricht gaben. Wir hielten ihn alſo vor gluͤckli- cher als uns, ſtunden aber auf, und beſichtigten nicht allein die Hoͤle, ſondern auch den gantzen Huͤgel, fanden jedoch nicht das geringſte Verſehr, Ritze o- der Spalte, ſondern alles in unveraͤnderten guten Stande. Lemelie ſagte derowegen: Glaubet mir ſicher, meine Freunde! es iſt alles ein pures Gau- ckel-Spiel der im Fegefeuer ſitzenden Seele des Don Cyrillo de Valaro. Ach wie gern wolte ich einem Roͤmiſch-Catholiſchen Prieſter 100. Creutz-Thaler Seel-Meß-Gelder zahlen, um dieſelbe daraus zu er- loͤſen, wenn er nur gegenwaͤrtig waͤre, und uns in vollkommene Ruhe ſetzen koͤnte. Van Leuven und ich hielten nicht vor rathſam, die- ſem einfaͤltigen Tropffen zu wiederſprechen, lieſſen ihn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/212
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/212>, abgerufen am 31.10.2024.