Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.beschränken. Die Aufgabe des Vormundschaftswesens ist es, den ge- Es gibt daher so viele Grundformen der Vormundschaft, als beſchränken. Die Aufgabe des Vormundſchaftsweſens iſt es, den ge- Es gibt daher ſo viele Grundformen der Vormundſchaft, als <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0204" n="182"/> beſchränken. Die Aufgabe des Vormundſchaftsweſens iſt es, den ge-<lb/> gebenen Mangel in der Selbſtbeſtimmung znnächſt formell ſo weit zu<lb/><hi rendition="#g">erſetzen</hi>, als dieß das perſönliche und wirthſchaftliche Leben noth-<lb/> wendig erſcheinen läßt, dann aber ſo weit thunlich auch für die Her-<lb/> ſtellung und Entwickelung dieſer Selbſtbeſtimmung bei der betreffenden<lb/> Perſon zu ſorgen.</p><lb/> <p>Es gibt daher ſo viele <hi rendition="#g">Grundformen</hi> der Vormundſchaft, als<lb/> es Grundformen des Mangels an perſönlicher Selbſtbeſtimmung gibt.<lb/> Dieſelben erſcheinen in drei großen Claſſen. Die erſte enthält die <hi rendition="#g">Min-<lb/> derjährigkeit</hi>, in der die Selbſtbeſtimmung als eine werdende an-<lb/> genommen wird und der Mangel derſelben auf dem <hi rendition="#g">Alter</hi> beruht.<lb/> Die zweite enthält die weibliche Vormundſchaft, in der das <hi rendition="#g">Geſchlecht</hi><lb/> der Grund der unvollkommenen Selbſtbeſtimmung iſt. Die dritte end-<lb/> lich umfaßt alle Fälle, in denen die Vertretung durch <hi rendition="#g">zufällige</hi><lb/> Lebensverhältniſſe nothwendig wird. Die erſte hat daher ein natür-<lb/> liches Ende mit dem Eintreten der Mündigkeit, die zweite iſt natur-<lb/> gemäß eine dauernde, die dritte iſt je nach ihrer Urſache dauernd oder<lb/> vorübergehend <hi rendition="#aq">(absens — furiosus — prodigus).</hi> Die erſte bezieht ſich<lb/> ſtets auf Perſon und Vermögen zugleich, die zweite nur im Falle ſpe-<lb/> zieller Aufforderung auch auf die Perſon, die dritte je nach den Um-<lb/> ſtänden auf eine oder beide. Eine durchgreifende Scheidung einer <hi rendition="#g">bloß</hi><lb/> auf das Vermögen bezüglichen Vertretung durch die Vormundſchaft<lb/><hi rendition="#aq">(cura)</hi> von der auch auf die Perſon bezüglichen <hi rendition="#aq">(tutela)</hi> iſt weder denk-<lb/> bar, noch auch praktiſch. Der Unterſchied von <hi rendition="#aq">cura</hi> und <hi rendition="#aq">tutela</hi> iſt nur<lb/> als ein hiſtoriſcher anzuerkennen; er iſt nur durch die falſche Behand-<lb/> lung des römiſchen Rechts in die deutſche Rechtswiſſenſchaft auf-<lb/> genommen, von den deutſchen Geſetzgebungen längſt beſeitigt, und muß<lb/> als verwirrend aufgegeben werden. Die Vormundſchaft iſt vielmehr<lb/> Ein Ganzes, hat als ſolches ihre Geſchichte, ihr öffentliches Recht und<lb/> ihren Organismus, und muß in dieſem Sinne als organiſcher Theil<lb/> des Pflegſchaftsweſens behandelt werden. Dagegen iſt allerdings die<lb/> Aufgabe der Vormundſchaft, das iſt Form und Maß, in welcher die<lb/> Verwaltung den Mangel der Perſönlichkeit zu erſetzen oder dieſelbe zu<lb/> vertreten hat, natürlich in den oben angegebenen drei Grundformen<lb/> ſehr verſchieden, weil eben das Objekt derſelben, der Mangel an der<lb/> Fähigkeit zur Selbſtbeſtimmung, ſehr verſchieden iſt. Es iſt Aufgabe<lb/> des ſpeziellen Vormundſchaftsrechts und ſeiner Lehre, dieß Verhältniß<lb/> in den einzelnen Fällen genauer auszuführen. Die für <hi rendition="#g">alle</hi> geltenden,<lb/> das allgemeine Vormundſchaftsweſen bildenden Grundſätze ſind aber als<lb/> Theil der Verwaltungslehre die folgenden.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [182/0204]
beſchränken. Die Aufgabe des Vormundſchaftsweſens iſt es, den ge-
gebenen Mangel in der Selbſtbeſtimmung znnächſt formell ſo weit zu
erſetzen, als dieß das perſönliche und wirthſchaftliche Leben noth-
wendig erſcheinen läßt, dann aber ſo weit thunlich auch für die Her-
ſtellung und Entwickelung dieſer Selbſtbeſtimmung bei der betreffenden
Perſon zu ſorgen.
Es gibt daher ſo viele Grundformen der Vormundſchaft, als
es Grundformen des Mangels an perſönlicher Selbſtbeſtimmung gibt.
Dieſelben erſcheinen in drei großen Claſſen. Die erſte enthält die Min-
derjährigkeit, in der die Selbſtbeſtimmung als eine werdende an-
genommen wird und der Mangel derſelben auf dem Alter beruht.
Die zweite enthält die weibliche Vormundſchaft, in der das Geſchlecht
der Grund der unvollkommenen Selbſtbeſtimmung iſt. Die dritte end-
lich umfaßt alle Fälle, in denen die Vertretung durch zufällige
Lebensverhältniſſe nothwendig wird. Die erſte hat daher ein natür-
liches Ende mit dem Eintreten der Mündigkeit, die zweite iſt natur-
gemäß eine dauernde, die dritte iſt je nach ihrer Urſache dauernd oder
vorübergehend (absens — furiosus — prodigus). Die erſte bezieht ſich
ſtets auf Perſon und Vermögen zugleich, die zweite nur im Falle ſpe-
zieller Aufforderung auch auf die Perſon, die dritte je nach den Um-
ſtänden auf eine oder beide. Eine durchgreifende Scheidung einer bloß
auf das Vermögen bezüglichen Vertretung durch die Vormundſchaft
(cura) von der auch auf die Perſon bezüglichen (tutela) iſt weder denk-
bar, noch auch praktiſch. Der Unterſchied von cura und tutela iſt nur
als ein hiſtoriſcher anzuerkennen; er iſt nur durch die falſche Behand-
lung des römiſchen Rechts in die deutſche Rechtswiſſenſchaft auf-
genommen, von den deutſchen Geſetzgebungen längſt beſeitigt, und muß
als verwirrend aufgegeben werden. Die Vormundſchaft iſt vielmehr
Ein Ganzes, hat als ſolches ihre Geſchichte, ihr öffentliches Recht und
ihren Organismus, und muß in dieſem Sinne als organiſcher Theil
des Pflegſchaftsweſens behandelt werden. Dagegen iſt allerdings die
Aufgabe der Vormundſchaft, das iſt Form und Maß, in welcher die
Verwaltung den Mangel der Perſönlichkeit zu erſetzen oder dieſelbe zu
vertreten hat, natürlich in den oben angegebenen drei Grundformen
ſehr verſchieden, weil eben das Objekt derſelben, der Mangel an der
Fähigkeit zur Selbſtbeſtimmung, ſehr verſchieden iſt. Es iſt Aufgabe
des ſpeziellen Vormundſchaftsrechts und ſeiner Lehre, dieß Verhältniß
in den einzelnen Fällen genauer auszuführen. Die für alle geltenden,
das allgemeine Vormundſchaftsweſen bildenden Grundſätze ſind aber als
Theil der Verwaltungslehre die folgenden.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |