Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.[Spaltenumbruch] Mor hat, durch das Besondere, was er vorstellt, demVerstand etwas Allgemeines zu sagen. Von dieser Art sind Hogarths Kupfer, die den Titel the harlots progreß führen. Der Historienmahler hat seinem Beruf genug gethan, wenn er das Besondere mit der vollen Kraft, die darin liegt, vorstellt; der Mahler der Moral aber muß überdem noch durch sein Gemählde den Uebergang von dem Besondern auf das Allgemeine veranlassen. Wenn jener einen bekannten für sein Vaterland sterbenden Helden so mahlt, daß jeder ihn erkennet, seine Großmuth be- wundert, und mit Ehrfurcht und Liebe für ihn er- füllt wird, so hat er alles gethan, was man von ihm fodern konnte; dieser, der sich vorgesezt hätte, durch ein ähnliches Gemähld uns die Wahrheit em- pfinden zu machen, es sey rühmlich und angenehm fürs Vaterland zu sterben, müßte noch mehr thun um sicher zu seyn, daß dieser Gedanken durch das Gemähld in uns erwekt würde, und daß wir ihn lebhaft fühlten. Doch giebt es auch Historien, die unmittelbar lehrreich sind, wenn sie blos rein histo- risch behandelt würden. So sind der Tyran, Dio- nisius, wie er in Corinth unter den gemeinen Bür- gern, ohne Ehr und Ansehen hernmwandelt, oder gar mit Schulhalten sein Brod verdienet; und C. Marius, wie er auf dem Schutt von Carthago von allen Menschen verlassen, sizet, große Beyspiele, aus denen jederman sogleich die darin liegende Lehre zieht. Doch könnte der Mahler die Vorstellung davon durch wol ausgesonnene Zusäze weit rührender machen. Dieses muß allemal die Hauptabsicht des moralischen Gemähldes seyn. So könnten in dem ersten, der beyden angeführten Beyspiele in dem Gemähld ein paar Personen eingeführt werden, davon die eine mit viel bedeutender Gebehrde der andern den ernie- drigten Tyrannen zeigte; die andre aber ihre Be- wundrung über diesen außerordentlichen Fall mit re- dender Gebehrde und Miene zu verstehen gäbe. Der Historienmahler muß seinen Jnhalt aus der Mor schrift die Deutung der Moral anzeigen. Durcheine solche wird das berühmte Arkadien des Poußins zur Moral. (*) Es wäre zu wünschen, daß Künstler und Lieb- Würde man anstatt der heidnischen Mythologie Otto Vänius hat Denkbilder aus Horazens Ge- dien- (*) S. Mahlerey. (*) S.
Aufschrist. [Spaltenumbruch] Mor hat, durch das Beſondere, was er vorſtellt, demVerſtand etwas Allgemeines zu ſagen. Von dieſer Art ſind Hogarths Kupfer, die den Titel the harlots progreß fuͤhren. Der Hiſtorienmahler hat ſeinem Beruf genug gethan, wenn er das Beſondere mit der vollen Kraft, die darin liegt, vorſtellt; der Mahler der Moral aber muß uͤberdem noch durch ſein Gemaͤhlde den Uebergang von dem Beſondern auf das Allgemeine veranlaſſen. Wenn jener einen bekannten fuͤr ſein Vaterland ſterbenden Helden ſo mahlt, daß jeder ihn erkennet, ſeine Großmuth be- wundert, und mit Ehrfurcht und Liebe fuͤr ihn er- fuͤllt wird, ſo hat er alles gethan, was man von ihm fodern konnte; dieſer, der ſich vorgeſezt haͤtte, durch ein aͤhnliches Gemaͤhld uns die Wahrheit em- pfinden zu machen, es ſey ruͤhmlich und angenehm fuͤrs Vaterland zu ſterben, muͤßte noch mehr thun um ſicher zu ſeyn, daß dieſer Gedanken durch das Gemaͤhld in uns erwekt wuͤrde, und daß wir ihn lebhaft fuͤhlten. Doch giebt es auch Hiſtorien, die unmittelbar lehrreich ſind, wenn ſie blos rein hiſto- riſch behandelt wuͤrden. So ſind der Tyran, Dio- niſius, wie er in Corinth unter den gemeinen Buͤr- gern, ohne Ehr und Anſehen hernmwandelt, oder gar mit Schulhalten ſein Brod verdienet; und C. Marius, wie er auf dem Schutt von Carthago von allen Menſchen verlaſſen, ſizet, große Beyſpiele, aus denen jederman ſogleich die darin liegende Lehre zieht. Doch koͤnnte der Mahler die Vorſtellung davon durch wol ausgeſonnene Zuſaͤze weit ruͤhrender machen. Dieſes muß allemal die Hauptabſicht des moraliſchen Gemaͤhldes ſeyn. So koͤnnten in dem erſten, der beyden angefuͤhrten Beyſpiele in dem Gemaͤhld ein paar Perſonen eingefuͤhrt werden, davon die eine mit viel bedeutender Gebehrde der andern den ernie- drigten Tyrannen zeigte; die andre aber ihre Be- wundrung uͤber dieſen außerordentlichen Fall mit re- dender Gebehrde und Miene zu verſtehen gaͤbe. Der Hiſtorienmahler muß ſeinen Jnhalt aus der Mor ſchrift die Deutung der Moral anzeigen. Durcheine ſolche wird das beruͤhmte Arkadien des Poußins zur Moral. (*) Es waͤre zu wuͤnſchen, daß Kuͤnſtler und Lieb- Wuͤrde man anſtatt der heidniſchen Mythologie Otto Vaͤnius hat Denkbilder aus Horazens Ge- dien- (*) S. Mahlerey. (*) S.
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Mor
Mor
hat, durch das Beſondere, was er vorſtellt, dem
Verſtand etwas Allgemeines zu ſagen. Von dieſer
Art ſind Hogarths Kupfer, die den Titel the harlots
progreß fuͤhren. Der Hiſtorienmahler hat ſeinem
Beruf genug gethan, wenn er das Beſondere mit
der vollen Kraft, die darin liegt, vorſtellt; der
Mahler der Moral aber muß uͤberdem noch durch
ſein Gemaͤhlde den Uebergang von dem Beſondern
auf das Allgemeine veranlaſſen. Wenn jener einen
bekannten fuͤr ſein Vaterland ſterbenden Helden ſo
mahlt, daß jeder ihn erkennet, ſeine Großmuth be-
wundert, und mit Ehrfurcht und Liebe fuͤr ihn er-
fuͤllt wird, ſo hat er alles gethan, was man von
ihm fodern konnte; dieſer, der ſich vorgeſezt haͤtte,
durch ein aͤhnliches Gemaͤhld uns die Wahrheit em-
pfinden zu machen, es ſey ruͤhmlich und angenehm
fuͤrs Vaterland zu ſterben, muͤßte noch mehr thun
um ſicher zu ſeyn, daß dieſer Gedanken durch das
Gemaͤhld in uns erwekt wuͤrde, und daß wir ihn
lebhaft fuͤhlten. Doch giebt es auch Hiſtorien, die
unmittelbar lehrreich ſind, wenn ſie blos rein hiſto-
riſch behandelt wuͤrden. So ſind der Tyran, Dio-
niſius, wie er in Corinth unter den gemeinen Buͤr-
gern, ohne Ehr und Anſehen hernmwandelt, oder
gar mit Schulhalten ſein Brod verdienet; und C.
Marius, wie er auf dem Schutt von Carthago von
allen Menſchen verlaſſen, ſizet, große Beyſpiele, aus
denen jederman ſogleich die darin liegende Lehre zieht.
Doch koͤnnte der Mahler die Vorſtellung davon durch
wol ausgeſonnene Zuſaͤze weit ruͤhrender machen.
Dieſes muß allemal die Hauptabſicht des moraliſchen
Gemaͤhldes ſeyn. So koͤnnten in dem erſten, der
beyden angefuͤhrten Beyſpiele in dem Gemaͤhld ein
paar Perſonen eingefuͤhrt werden, davon die eine
mit viel bedeutender Gebehrde der andern den ernie-
drigten Tyrannen zeigte; die andre aber ihre Be-
wundrung uͤber dieſen außerordentlichen Fall mit re-
dender Gebehrde und Miene zu verſtehen gaͤbe.
Der Hiſtorienmahler muß ſeinen Jnhalt aus der
Geſchichte nehmen; aber fuͤr die Moral kann er er-
dichtet ſeyn, und da kann der Mahler ohne Unſchik-
lichkeit auch allegoriſche Weſen mit einmiſchen, wo
nicht die Vorſtellung ſchon an ſich ſelbſt, hinlaͤnglich
ſpricht, wie in den angefuͤhrten Kupferſtichen des
Hogarths und in den anderswo (*) erwaͤhnten ſchoͤ-
nen Zeichnungen des Herrn Chodowiecky, das Le-
ben eines Mannes nach der Welt, betitelt. An-
ſtatt der Allegorie kann eine wol angebrachte Auf-
ſchrift die Deutung der Moral anzeigen. Durch
eine ſolche wird das beruͤhmte Arkadien des Poußins
zur Moral. (*)
Es waͤre zu wuͤnſchen, daß Kuͤnſtler und Lieb-
haber ihre Aufmerkſamkeit auf dieſe Gattung richte-
ten, damit man anſtatt der ewigen Wiederholungen
mythologiſcher Stuͤke, oder ſonſt unbedeutender bi-
bliſcher Geſchichten, etwas bekaͤme, wobey der Mah-
ler mehr, als bloße Kunſt zu zeigen, und der Liebha-
ber mehr als blos Zeichnung und Colorit zu bewun-
dern haͤtte. Nichts beweißt mehr die Armuth des
Genies der Mahler, und den Mangel des Geſchmaks
der Liebhaber, als die Sammlungen hiſtoriſcher Ge-
maͤhlde und Kupferſtiche. Wie ſelten ſind nicht da-
rin die Stuͤke, die ſich durch einen wichtigen Jnhalt
empfehlen? Jch bin mir ſelbſt mit Zuverlaͤßigkeit
bewußt, daß eine ſchoͤn gezeichnete Figur, und Har-
monie der Farben, einen ſtarken Eindruk auf mich
machen: dennoch kann ich nicht ſagen, daß dieſer
Reiz jemals hinlaͤnglich geweſen waͤre, ſelbſt in den
praͤchtigſten Bildergallerien mich vor dem Ueberdruß
zu verwahren, den das Leere und Gedankenloſe des
Jnhalts des groͤßten Theiles der Hiſtorien, verur-
ſachet. Und leyder! iſt es mir mehr als einmal in
Kirchen nicht beſſer geworden.
Wuͤrde man anſtatt der heidniſchen Mythologie
und der chriſtlichen Legenden gute ſittliche Gemaͤhlde
ſehen, was fuͤr gute Eindruͤke koͤnnte man nicht da-
her erwarten? An Stoff kann es dem Kuͤnſiler, der
ein Mann von Nachdenken iſt, nicht fehlen. Die
heilige und weltliche Geſchichte, die Schauſpiele,
die Werke der epiſchen, dramatiſchen und lyriſchen
Dichter, die aͤſopiſche Fabel, das taͤgliche Leben, alles
dieſes iſt reich an einzelen Faͤllen, die durch ein Wort,
oder durch einen Nebenumſtand zu allgemeinen Leh-
ren werden koͤnnen. Was fuͤr ein Beyſpiel fuͤr einen
Tyrannen, wenn Dyoniſius ſich von ſeinen Toͤchtern
den Bart muß abbrennen laſſen, weil er ſich vor
dem Meſſer, ſelbſt wenn es in den Haͤnden ſeiner
eigenen Kinder waͤre, fuͤrchtet? Was fuͤr eine Lehre
wenn Damocles in der groͤßten Herrlichkeit ein an
duͤnnen Faden aufgehangenes Schwerdt uͤber ſeinem
Kopfe ſieht, und daruͤber alle vor ihm liegende Guͤter
vergißt?
Otto Vaͤnius hat Denkbilder aus Horazens Ge-
dichten gezogen, herausgegeben, deren Erfindung
groͤßtentheils ſehr elend iſt; und doch iſt der Dichter
ſehr reich an moraliſchen Gemaͤhlden, die wol ver-
dien-
(*) S.
Mahlerey.
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