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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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vierdes Buch.
tende Treume hielten/ mit ihrer deutung nicht heraus
wolten. Dan weil der König eine Kuh und eine Ahre
die andere verschlingen gesehen/ so urteilten sie/ daß es
nichts guhtes bedeutete. Sie stunden und zauderten/
und durften nichts sagen. Zuvor hatten die Traum-
deuter/ in auslegung der Königlichen treume/ gemei-
niglich geschmeuchelt. Sie hatten den Königen nichts/
als künftige glükseeligkeit/ verkündiget. Und hierdurch
hatten sie getrachtet ihre gunst und gnade zu gewinnen.
Aber alhier wolte das schmeucheln keine stat finden.
Diese Treume schienen ihnen alzuböse. Sie befahre-
ten sich/ wan sie schmeuchelten/ daß der unglükliche
ausfal sie bald beschämen würde. Schmeuchelten sie
aber nicht/ und sagten die wahrheit frei heraus; so het-
ten sie anders nichts/ als des Königes ungnade zu ver-
muhten. Und darüm wolten sie lieber schweigen/ als
eines von beiden zu tuhn sich erkühnen; weil sie sich/
samt ihrer kunst/ durch jenes so wohl/ als dieses/ in ge-
fahr stürtzen konten. Dieses war so fest bei ihnen be-
schlossen/ daß der König weder mit guhten/ noch dreu-
worten/ nicht das geringste erlangen konte. Und ob er
schon befahl/ sie solten die runte wahrheit nur unge-
scheuet heraussagen/ es möchte guht/ oder böse sein; so
blieben sie doch bei ihrem schlusse.

Es war niemahls erhöret/ so lange ein König in E-
gipten geherschet/ daß ein Königlicher Traum nicht
hette können gedeutet werden. Egipten hatte die fülle
solcher Leute/ welche so färtig in der Traumdeuterei wa-
ren/ daß ihnen sonst kein traum zu schweer oder zu dun-
kel fiel. Gleichwohl fand sich alhier nicht einer. Nicht
einer durfte das hertz nehmen/ diese zween treume
zu deuten. Und hierüber ward nicht allein der König/
sondern auch die gantze versamlung der Reichsstände
zum höchsten bestürtzt. Diese waren auch entbohten/ ihr
guhtdünken zu sagen. Es betraf des Reichs wohlfahrt.

Dem
L ij

vierdes Buch.
tende Treume hielten/ mit ihrer deutung nicht heraus
wolten. Dan weil der Koͤnig eine Kuh und eine Ahre
die andere verſchlingen geſehen/ ſo urteilten ſie/ daß es
nichts guhtes bedeutete. Sie ſtunden und zauderten/
und durften nichts ſagen. Zuvor hatten die Traum-
deuter/ in auslegung der Koͤniglichen treume/ gemei-
niglich geſchmeuchelt. Sie hatten den Koͤnigen nichts/
als kuͤnftige gluͤkſeeligkeit/ verkuͤndiget. Und hierdurch
hatten ſie getrachtet ihre gunſt und gnade zu gewinnen.
Aber alhier wolte das ſchmeucheln keine ſtat finden.
Dieſe Treume ſchienen ihnen alzuboͤſe. Sie befahre-
ten ſich/ wan ſie ſchmeuchelten/ daß der ungluͤkliche
ausfal ſie bald beſchaͤmen wuͤrde. Schmeuchelten ſie
aber nicht/ und ſagten die wahrheit frei heraus; ſo het-
ten ſie anders nichts/ als des Koͤniges ungnade zu ver-
muhten. Und daruͤm wolten ſie lieber ſchweigen/ als
eines von beiden zu tuhn ſich erkuͤhnen; weil ſie ſich/
ſamt ihrer kunſt/ durch jenes ſo wohl/ als dieſes/ in ge-
fahr ſtuͤrtzen konten. Dieſes war ſo feſt bei ihnen be-
ſchloſſen/ daß der Koͤnig weder mit guhten/ noch dreu-
worten/ nicht das geringſte erlangen konte. Und ob er
ſchon befahl/ ſie ſolten die runte wahrheit nur unge-
ſcheuet herausſagen/ es moͤchte guht/ oder boͤſe ſein; ſo
blieben ſie doch bei ihrem ſchluſſe.

Es war niemahls erhoͤret/ ſo lange ein Koͤnig in E-
gipten geherſchet/ daß ein Koͤniglicher Traum nicht
hette koͤnnen gedeutet werden. Egipten hatte die fuͤlle
ſolcher Leute/ welche ſo faͤrtig in der Traumdeuterei wa-
ren/ daß ihnen ſonſt kein traum zu ſchweer oder zu dun-
kel fiel. Gleichwohl fand ſich alhier nicht einer. Nicht
einer durfte das hertz nehmen/ dieſe zween treume
zu deuten. Und hieruͤber ward nicht allein der Koͤnig/
ſondern auch die gantze verſamlung der Reichsſtaͤnde
zum hoͤchſten beſtuͤrtzt. Dieſe waren auch entbohten/ ihr
guhtduͤnken zu ſagen. Es betraf des Reichs wohlfahrt.

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L ij
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[136[163]/0187] vierdes Buch. tende Treume hielten/ mit ihrer deutung nicht heraus wolten. Dan weil der Koͤnig eine Kuh und eine Ahre die andere verſchlingen geſehen/ ſo urteilten ſie/ daß es nichts guhtes bedeutete. Sie ſtunden und zauderten/ und durften nichts ſagen. Zuvor hatten die Traum- deuter/ in auslegung der Koͤniglichen treume/ gemei- niglich geſchmeuchelt. Sie hatten den Koͤnigen nichts/ als kuͤnftige gluͤkſeeligkeit/ verkuͤndiget. Und hierdurch hatten ſie getrachtet ihre gunſt und gnade zu gewinnen. Aber alhier wolte das ſchmeucheln keine ſtat finden. Dieſe Treume ſchienen ihnen alzuboͤſe. Sie befahre- ten ſich/ wan ſie ſchmeuchelten/ daß der ungluͤkliche ausfal ſie bald beſchaͤmen wuͤrde. Schmeuchelten ſie aber nicht/ und ſagten die wahrheit frei heraus; ſo het- ten ſie anders nichts/ als des Koͤniges ungnade zu ver- muhten. Und daruͤm wolten ſie lieber ſchweigen/ als eines von beiden zu tuhn ſich erkuͤhnen; weil ſie ſich/ ſamt ihrer kunſt/ durch jenes ſo wohl/ als dieſes/ in ge- fahr ſtuͤrtzen konten. Dieſes war ſo feſt bei ihnen be- ſchloſſen/ daß der Koͤnig weder mit guhten/ noch dreu- worten/ nicht das geringſte erlangen konte. Und ob er ſchon befahl/ ſie ſolten die runte wahrheit nur unge- ſcheuet herausſagen/ es moͤchte guht/ oder boͤſe ſein; ſo blieben ſie doch bei ihrem ſchluſſe. Es war niemahls erhoͤret/ ſo lange ein Koͤnig in E- gipten geherſchet/ daß ein Koͤniglicher Traum nicht hette koͤnnen gedeutet werden. Egipten hatte die fuͤlle ſolcher Leute/ welche ſo faͤrtig in der Traumdeuterei wa- ren/ daß ihnen ſonſt kein traum zu ſchweer oder zu dun- kel fiel. Gleichwohl fand ſich alhier nicht einer. Nicht einer durfte das hertz nehmen/ dieſe zween treume zu deuten. Und hieruͤber ward nicht allein der Koͤnig/ ſondern auch die gantze verſamlung der Reichsſtaͤnde zum hoͤchſten beſtuͤrtzt. Dieſe waren auch entbohten/ ihr guhtduͤnken zu ſagen. Es betraf des Reichs wohlfahrt. Dem L ij

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 136[163]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/187>, abgerufen am 01.11.2024.