Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

V. Prüfung der vorgeschichtlich-anthropologischen Gegeninstanzen.
im 5. Monate trägt, zu erklären versucht hat, ohne damit irgend-
welche reelle und allgemeinere Annäherung des Menschen- an den
Affentypus erweisen zu können. -- Eine nicht bloß isolirt, bei
wenigen Jndividuen oder Familien, sondern bei ganzen Stämmen
auftretende Abnormität ist die der Zwerg menschen, wie z. B. der
Akka und der Abongo in Afrika. Aber diese gleichfalls zuweilen
im Jnteresse der Descendenzlehre verwertheten Zwergvölker zeigen
nichts irgendwie Affenartiges in ihrem wohlproportionirten Körper-
bau; sie sind höchstwahrscheinlich versprengte und verkümmerte Reste
von früherhin höherstehenden Racen, wie die Buschmänner, Eskimo etc.
Die Kleinheit ihres Wuchses hat nichts sehr Auffallendes; als Ueber-
bleibsel einer etwaigen, zwischen Thier und Mensch mitteninne
stehenden Urrace können sie um so weniger gelten, da die bereits
erwähnten fossilen Skeletreste aus der Diluvialzeit keinerlei Spur
von besonders kleinem Körperbau zu erkennen geben; jene auffallend
kleinen Bronzeschwerter aus alten Celtengräbern und Kupferschwerter
aus Tschudengräbern, die man zum Theil als Belege für einen
Zwergcharakter der älteren Menschheit geltend zu machen versucht
hat, sind längst, auf Grund der noch jetzt im Gebrauche befindlichen
ähnlichen kleinen Werkzeuge sibirischer Stämme, als Spateln zum
Ausgraben von Zwiebeln, Wurzeln u. dgl. erkannt worden.1) --
Auch der aus der Hirnbildung von Jdioten oder Mikroce-
phalen
entnommene Beweis für einen affenähnlichen Typus der
Urmenschheit, in dessen Betonung K. Vogt sich eine Zeitlang gefiel
und der noch immer von Häckel und einigen andren extremen Dar-
winisten aufrechtzuerhalten versucht wird, ist längst als nichtig dar-
gethan worden. Die Hirnbildung der Mikrocephalen ist nach den
Untersuchungen v. Luschka's, Eckers, Bischoffs, Aeby's, Virchow's etc.
ein ganz und gar krankhaftes Phänomen ohne irgendwelche nennens-
werthe Annäherung an die Construction des Affenhirnes. Das

1) Bgl. Schaaffhausen, Bericht über die neuesten Unternehmungen etc.
auf dem Geb. der authropol. Forschung, im Archiv f. Anthropol. Bd. IV,
H. 3, S. 359 (mit lehrreichen Verweisungen auf v. Baer, Gustav Radde etc.).

V. Prüfung der vorgeſchichtlich-anthropologiſchen Gegeninſtanzen.
im 5. Monate trägt, zu erklären verſucht hat, ohne damit irgend-
welche reelle und allgemeinere Annäherung des Menſchen- an den
Affentypus erweiſen zu können. — Eine nicht bloß iſolirt, bei
wenigen Jndividuen oder Familien, ſondern bei ganzen Stämmen
auftretende Abnormität iſt die der Zwerg menſchen, wie z. B. der
Akka und der Abongo in Afrika. Aber dieſe gleichfalls zuweilen
im Jntereſſe der Deſcendenzlehre verwertheten Zwergvölker zeigen
nichts irgendwie Affenartiges in ihrem wohlproportionirten Körper-
bau; ſie ſind höchſtwahrſcheinlich verſprengte und verkümmerte Reſte
von früherhin höherſtehenden Racen, wie die Buſchmänner, Eskimo ꝛc.
Die Kleinheit ihres Wuchſes hat nichts ſehr Auffallendes; als Ueber-
bleibſel einer etwaigen, zwiſchen Thier und Menſch mitteninne
ſtehenden Urrace können ſie um ſo weniger gelten, da die bereits
erwähnten foſſilen Skeletreſte aus der Diluvialzeit keinerlei Spur
von beſonders kleinem Körperbau zu erkennen geben; jene auffallend
kleinen Bronzeſchwerter aus alten Celtengräbern und Kupferſchwerter
aus Tſchudengräbern, die man zum Theil als Belege für einen
Zwergcharakter der älteren Menſchheit geltend zu machen verſucht
hat, ſind längſt, auf Grund der noch jetzt im Gebrauche befindlichen
ähnlichen kleinen Werkzeuge ſibiriſcher Stämme, als Spateln zum
Ausgraben von Zwiebeln, Wurzeln u. dgl. erkannt worden.1)
Auch der aus der Hirnbildung von Jdioten oder Mikroce-
phalen
entnommene Beweis für einen affenähnlichen Typus der
Urmenſchheit, in deſſen Betonung K. Vogt ſich eine Zeitlang gefiel
und der noch immer von Häckel und einigen andren extremen Dar-
winiſten aufrechtzuerhalten verſucht wird, iſt längſt als nichtig dar-
gethan worden. Die Hirnbildung der Mikrocephalen iſt nach den
Unterſuchungen v. Luſchka’s, Eckers, Biſchoffs, Aeby’s, Virchow’s ꝛc.
ein ganz und gar krankhaftes Phänomen ohne irgendwelche nennens-
werthe Annäherung an die Conſtruction des Affenhirnes. Das

1) Bgl. Schaaffhauſen, Bericht über die neueſten Unternehmungen ꝛc.
auf dem Geb. der authropol. Forſchung, im Archiv f. Anthropol. Bd. IV,
H. 3, S. 359 (mit lehrreichen Verweiſungen auf v. Baer, Guſtav Radde ꝛc.).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0185" n="175"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">V.</hi> Prüfung der vorge&#x017F;chichtlich-anthropologi&#x017F;chen Gegenin&#x017F;tanzen.</fw><lb/>
im 5. Monate trägt, zu erklären ver&#x017F;ucht hat, ohne damit irgend-<lb/>
welche reelle und allgemeinere Annäherung des Men&#x017F;chen- an den<lb/>
Affentypus erwei&#x017F;en zu können. &#x2014; Eine nicht bloß i&#x017F;olirt, bei<lb/>
wenigen Jndividuen oder Familien, &#x017F;ondern bei ganzen Stämmen<lb/>
auftretende Abnormität i&#x017F;t die der <hi rendition="#g">Zwerg</hi> men&#x017F;chen, wie z. B. der<lb/>
Akka und der Abongo in Afrika. Aber die&#x017F;e gleichfalls zuweilen<lb/>
im Jntere&#x017F;&#x017F;e der De&#x017F;cendenzlehre verwertheten Zwergvölker zeigen<lb/>
nichts irgendwie Affenartiges in ihrem wohlproportionirten Körper-<lb/>
bau; &#x017F;ie &#x017F;ind höch&#x017F;twahr&#x017F;cheinlich ver&#x017F;prengte und verkümmerte Re&#x017F;te<lb/>
von früherhin höher&#x017F;tehenden Racen, wie die Bu&#x017F;chmänner, Eskimo &#xA75B;c.<lb/>
Die Kleinheit ihres Wuch&#x017F;es hat nichts &#x017F;ehr Auffallendes; als Ueber-<lb/>
bleib&#x017F;el einer etwaigen, zwi&#x017F;chen Thier und Men&#x017F;ch mitteninne<lb/>
&#x017F;tehenden Urrace können &#x017F;ie um &#x017F;o weniger gelten, da die bereits<lb/>
erwähnten fo&#x017F;&#x017F;ilen Skeletre&#x017F;te aus der Diluvialzeit keinerlei Spur<lb/>
von be&#x017F;onders kleinem Körperbau zu erkennen geben; jene auffallend<lb/>
kleinen Bronze&#x017F;chwerter aus alten Celtengräbern und Kupfer&#x017F;chwerter<lb/>
aus T&#x017F;chudengräbern, die man zum Theil als Belege für einen<lb/>
Zwergcharakter der älteren Men&#x017F;chheit geltend zu machen ver&#x017F;ucht<lb/>
hat, &#x017F;ind läng&#x017F;t, auf Grund der noch jetzt im Gebrauche befindlichen<lb/>
ähnlichen kleinen Werkzeuge &#x017F;ibiri&#x017F;cher Stämme, als Spateln zum<lb/>
Ausgraben von Zwiebeln, Wurzeln u. dgl. erkannt worden.<note place="foot" n="1)">Bgl. <hi rendition="#g">Schaaffhau&#x017F;en,</hi> Bericht über die neue&#x017F;ten Unternehmungen &#xA75B;c.<lb/>
auf dem Geb. der authropol. For&#x017F;chung, im Archiv f. Anthropol. Bd. <hi rendition="#aq">IV,</hi><lb/>
H. 3, S. 359 (mit lehrreichen Verwei&#x017F;ungen auf v. <hi rendition="#g">Baer,</hi> Gu&#x017F;tav <hi rendition="#g">Radde</hi> &#xA75B;c.).</note> &#x2014;<lb/>
Auch der aus der Hirnbildung von <hi rendition="#g">Jdioten</hi> oder <hi rendition="#g">Mikroce-<lb/>
phalen</hi> entnommene Beweis für einen affenähnlichen Typus der<lb/>
Urmen&#x017F;chheit, in de&#x017F;&#x017F;en Betonung K. Vogt &#x017F;ich eine Zeitlang gefiel<lb/>
und der noch immer von Häckel und einigen andren extremen Dar-<lb/>
wini&#x017F;ten aufrechtzuerhalten ver&#x017F;ucht wird, i&#x017F;t läng&#x017F;t als nichtig dar-<lb/>
gethan worden. Die Hirnbildung der Mikrocephalen i&#x017F;t nach den<lb/>
Unter&#x017F;uchungen v. Lu&#x017F;chka&#x2019;s, Eckers, Bi&#x017F;choffs, Aeby&#x2019;s, Virchow&#x2019;s &#xA75B;c.<lb/>
ein ganz und gar krankhaftes Phänomen ohne irgendwelche nennens-<lb/>
werthe Annäherung an die Con&#x017F;truction des Affenhirnes. Das<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[175/0185] V. Prüfung der vorgeſchichtlich-anthropologiſchen Gegeninſtanzen. im 5. Monate trägt, zu erklären verſucht hat, ohne damit irgend- welche reelle und allgemeinere Annäherung des Menſchen- an den Affentypus erweiſen zu können. — Eine nicht bloß iſolirt, bei wenigen Jndividuen oder Familien, ſondern bei ganzen Stämmen auftretende Abnormität iſt die der Zwerg menſchen, wie z. B. der Akka und der Abongo in Afrika. Aber dieſe gleichfalls zuweilen im Jntereſſe der Deſcendenzlehre verwertheten Zwergvölker zeigen nichts irgendwie Affenartiges in ihrem wohlproportionirten Körper- bau; ſie ſind höchſtwahrſcheinlich verſprengte und verkümmerte Reſte von früherhin höherſtehenden Racen, wie die Buſchmänner, Eskimo ꝛc. Die Kleinheit ihres Wuchſes hat nichts ſehr Auffallendes; als Ueber- bleibſel einer etwaigen, zwiſchen Thier und Menſch mitteninne ſtehenden Urrace können ſie um ſo weniger gelten, da die bereits erwähnten foſſilen Skeletreſte aus der Diluvialzeit keinerlei Spur von beſonders kleinem Körperbau zu erkennen geben; jene auffallend kleinen Bronzeſchwerter aus alten Celtengräbern und Kupferſchwerter aus Tſchudengräbern, die man zum Theil als Belege für einen Zwergcharakter der älteren Menſchheit geltend zu machen verſucht hat, ſind längſt, auf Grund der noch jetzt im Gebrauche befindlichen ähnlichen kleinen Werkzeuge ſibiriſcher Stämme, als Spateln zum Ausgraben von Zwiebeln, Wurzeln u. dgl. erkannt worden. 1) — Auch der aus der Hirnbildung von Jdioten oder Mikroce- phalen entnommene Beweis für einen affenähnlichen Typus der Urmenſchheit, in deſſen Betonung K. Vogt ſich eine Zeitlang gefiel und der noch immer von Häckel und einigen andren extremen Dar- winiſten aufrechtzuerhalten verſucht wird, iſt längſt als nichtig dar- gethan worden. Die Hirnbildung der Mikrocephalen iſt nach den Unterſuchungen v. Luſchka’s, Eckers, Biſchoffs, Aeby’s, Virchow’s ꝛc. ein ganz und gar krankhaftes Phänomen ohne irgendwelche nennens- werthe Annäherung an die Conſtruction des Affenhirnes. Das 1) Bgl. Schaaffhauſen, Bericht über die neueſten Unternehmungen ꝛc. auf dem Geb. der authropol. Forſchung, im Archiv f. Anthropol. Bd. IV, H. 3, S. 359 (mit lehrreichen Verweiſungen auf v. Baer, Guſtav Radde ꝛc.).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/185
Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/185>, abgerufen am 01.11.2024.