Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.X. Schluß. vom Kindesalter und seiner relativen Unschuld und frischen Urkraftauf das Menschheitsganze beim Beginne seiner religiös-ethischen Entwicklung begegnen wir uns mit nicht Wenigen der neueren positiv-evangelischen Dogmatiker. Wir unterschreiben insbesondere mit vollem Beifall das von Philippi, einem Hauptvertreter dieser Anschauungsweise, über das Geheimnißvolle und schwer Vorstellbare des reinen Kindheitsbewußtseins des Menschheitsstammvaters während seines Paradieseslebens Ausgeführte: "Der Mensch, wie er aus Gottes Hand hervorging, stellt uns nur die erste Stufe, nämlich den Kindheitszustand der gottgeschaffenen Menschheit dar. Nun sind wir nicht einmal im Stande, uns klar in das Sein, das Leben und Weben, das Anschauen, Thun und Empfinden der uns um- gebenden Kinderwelt hinein und zurückzuversetzen, obgleich wir es doch selbst durchgemacht und stets zur Betrachtung gegenwärtig vor unsren Augen haben. Wie viel schwerer wird dieß in Bezug auf den Urstand sein, den wir selbst nicht durchlebt und der uns nicht zur Anschauung vorliegt ..... Wir werden daher den Urzustand mehr nur in der Form der begrifflichen Construction, als in der Weise der erfahrungsmäßigen Anschauung und lebendigen Vergegen- wärtigung uns vorstellig machen können". Auch darin, daß diese Vorstelligmachung des verlorenen Urzustands im Gegensatze zum jetzigen, sündig verderbten sich an den Zustand der Wiederherstellung durch die Gnade zu halten, jenen also in gewisser Weise als diesem parallel zu denken habe, stimmen wir mit dem Rostocker Dogmatiker im Wesentlichen überein.1) -- Was jedoch unsere Vor- und Dar- stellung des Jntegritätsstandes von derjenigen Philippi's und der meisten neueren Dogmatiker unterscheidet, ist der Versuch das Kindes- zogs Real.-Enchklop., 2. Aufl.; Dorner, System der chr. Glaubenslehre, I (1879), S. 517 ff. 1) Vgl. überhaupt Philippi, Glaubenslehre, 2. Aufl., Bd. II, S. 337 ff.
Uebrigens scheint das S. 355 f. über die "nicht bloß keimartige, sondern aus- gebildete Gestalt" der ursprünglichen Gerechtigkeit Adams von Philippi Bemerkte uns zu weit zu gehen. Vgl. Dorner, S. 519. X. Schluß. vom Kindesalter und ſeiner relativen Unſchuld und friſchen Urkraftauf das Menſchheitsganze beim Beginne ſeiner religiös-ethiſchen Entwicklung begegnen wir uns mit nicht Wenigen der neueren poſitiv-evangeliſchen Dogmatiker. Wir unterſchreiben insbeſondere mit vollem Beifall das von Philippi, einem Hauptvertreter dieſer Anſchauungsweiſe, über das Geheimnißvolle und ſchwer Vorſtellbare des reinen Kindheitsbewußtſeins des Menſchheitsſtammvaters während ſeines Paradieſeslebens Ausgeführte: „Der Menſch, wie er aus Gottes Hand hervorging, ſtellt uns nur die erſte Stufe, nämlich den Kindheitszuſtand der gottgeſchaffenen Menſchheit dar. Nun ſind wir nicht einmal im Stande, uns klar in das Sein, das Leben und Weben, das Anſchauen, Thun und Empfinden der uns um- gebenden Kinderwelt hinein und zurückzuverſetzen, obgleich wir es doch ſelbſt durchgemacht und ſtets zur Betrachtung gegenwärtig vor unſren Augen haben. Wie viel ſchwerer wird dieß in Bezug auf den Urſtand ſein, den wir ſelbſt nicht durchlebt und der uns nicht zur Anſchauung vorliegt ..... Wir werden daher den Urzuſtand mehr nur in der Form der begrifflichen Conſtruction, als in der Weiſe der erfahrungsmäßigen Anſchauung und lebendigen Vergegen- wärtigung uns vorſtellig machen können‟. Auch darin, daß dieſe Vorſtelligmachung des verlorenen Urzuſtands im Gegenſatze zum jetzigen, ſündig verderbten ſich an den Zuſtand der Wiederherſtellung durch die Gnade zu halten, jenen alſo in gewiſſer Weiſe als dieſem parallel zu denken habe, ſtimmen wir mit dem Roſtocker Dogmatiker im Weſentlichen überein.1) — Was jedoch unſere Vor- und Dar- ſtellung des Jntegritätsſtandes von derjenigen Philippi’s und der meiſten neueren Dogmatiker unterſcheidet, iſt der Verſuch das Kindes- zogs Real.-Enchklop., 2. Aufl.; Dorner, Syſtem der chr. Glaubenslehre, I (1879), S. 517 ff. 1) Vgl. überhaupt Philippi, Glaubenslehre, 2. Aufl., Bd. II, S. 337 ff.
Uebrigens ſcheint das S. 355 f. über die „nicht bloß keimartige, ſondern aus- gebildete Geſtalt‟ der urſprünglichen Gerechtigkeit Adams von Philippi Bemerkte uns zu weit zu gehen. Vgl. Dorner, S. 519. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0344" n="334"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">X.</hi> Schluß.</fw><lb/> vom Kindesalter und ſeiner relativen Unſchuld und friſchen Urkraft<lb/> auf das Menſchheitsganze beim Beginne ſeiner religiös-ethiſchen<lb/> Entwicklung begegnen wir uns mit nicht Wenigen der neueren<lb/> poſitiv-evangeliſchen Dogmatiker. Wir unterſchreiben insbeſondere<lb/> mit vollem Beifall das von Philippi, einem Hauptvertreter dieſer<lb/> Anſchauungsweiſe, über das Geheimnißvolle und ſchwer Vorſtellbare<lb/> des reinen Kindheitsbewußtſeins des Menſchheitsſtammvaters während<lb/> ſeines Paradieſeslebens Ausgeführte: „Der Menſch, wie er aus<lb/> Gottes Hand hervorging, ſtellt uns nur die erſte Stufe, nämlich<lb/> den Kindheitszuſtand der gottgeſchaffenen Menſchheit dar. Nun ſind<lb/> wir nicht einmal im Stande, uns klar in das Sein, das Leben<lb/> und Weben, das Anſchauen, Thun und Empfinden der uns um-<lb/> gebenden Kinderwelt hinein und zurückzuverſetzen, obgleich wir es<lb/> doch ſelbſt durchgemacht und ſtets zur Betrachtung gegenwärtig vor<lb/> unſren Augen haben. Wie viel ſchwerer wird dieß in Bezug auf<lb/> den Urſtand ſein, den wir ſelbſt nicht durchlebt und der uns nicht<lb/> zur Anſchauung vorliegt ..... Wir werden daher den Urzuſtand<lb/> mehr nur in der Form der begrifflichen Conſtruction, als in der<lb/> Weiſe der erfahrungsmäßigen Anſchauung und lebendigen Vergegen-<lb/> wärtigung uns vorſtellig machen können‟. Auch darin, daß dieſe<lb/> Vorſtelligmachung des verlorenen Urzuſtands im Gegenſatze zum<lb/> jetzigen, ſündig verderbten ſich an den Zuſtand der Wiederherſtellung<lb/> durch die Gnade zu halten, jenen alſo in gewiſſer Weiſe als dieſem<lb/> parallel zu denken habe, ſtimmen wir mit dem Roſtocker Dogmatiker<lb/> im Weſentlichen überein.<note place="foot" n="1)">Vgl. überhaupt <hi rendition="#g">Philippi,</hi> Glaubenslehre, 2. Aufl., Bd. <hi rendition="#aq">II,</hi> S. 337 ff.<lb/> Uebrigens ſcheint das S. 355 f. über die „nicht bloß keimartige, ſondern aus-<lb/> gebildete Geſtalt‟ der urſprünglichen Gerechtigkeit Adams von Philippi Bemerkte<lb/> uns zu weit zu gehen. Vgl. <hi rendition="#g">Dorner,</hi> S. 519.</note> — Was jedoch unſere Vor- und Dar-<lb/> ſtellung des Jntegritätsſtandes von derjenigen Philippi’s und der<lb/> meiſten neueren Dogmatiker unterſcheidet, iſt der Verſuch das Kindes-<lb/><note xml:id="seg2pn_16_2" prev="#seg2pn_16_1" place="foot" n="2)">zogs Real.-Enchklop., 2. Aufl.; <hi rendition="#g">Dorner,</hi> Syſtem der chr. Glaubenslehre,<lb/><hi rendition="#aq">I</hi> (1879), S. 517 ff.</note><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [334/0344]
X. Schluß.
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Entwicklung begegnen wir uns mit nicht Wenigen der neueren
poſitiv-evangeliſchen Dogmatiker. Wir unterſchreiben insbeſondere
mit vollem Beifall das von Philippi, einem Hauptvertreter dieſer
Anſchauungsweiſe, über das Geheimnißvolle und ſchwer Vorſtellbare
des reinen Kindheitsbewußtſeins des Menſchheitsſtammvaters während
ſeines Paradieſeslebens Ausgeführte: „Der Menſch, wie er aus
Gottes Hand hervorging, ſtellt uns nur die erſte Stufe, nämlich
den Kindheitszuſtand der gottgeſchaffenen Menſchheit dar. Nun ſind
wir nicht einmal im Stande, uns klar in das Sein, das Leben
und Weben, das Anſchauen, Thun und Empfinden der uns um-
gebenden Kinderwelt hinein und zurückzuverſetzen, obgleich wir es
doch ſelbſt durchgemacht und ſtets zur Betrachtung gegenwärtig vor
unſren Augen haben. Wie viel ſchwerer wird dieß in Bezug auf
den Urſtand ſein, den wir ſelbſt nicht durchlebt und der uns nicht
zur Anſchauung vorliegt ..... Wir werden daher den Urzuſtand
mehr nur in der Form der begrifflichen Conſtruction, als in der
Weiſe der erfahrungsmäßigen Anſchauung und lebendigen Vergegen-
wärtigung uns vorſtellig machen können‟. Auch darin, daß dieſe
Vorſtelligmachung des verlorenen Urzuſtands im Gegenſatze zum
jetzigen, ſündig verderbten ſich an den Zuſtand der Wiederherſtellung
durch die Gnade zu halten, jenen alſo in gewiſſer Weiſe als dieſem
parallel zu denken habe, ſtimmen wir mit dem Roſtocker Dogmatiker
im Weſentlichen überein. 1) — Was jedoch unſere Vor- und Dar-
ſtellung des Jntegritätsſtandes von derjenigen Philippi’s und der
meiſten neueren Dogmatiker unterſcheidet, iſt der Verſuch das Kindes-
2)
1) Vgl. überhaupt Philippi, Glaubenslehre, 2. Aufl., Bd. II, S. 337 ff.
Uebrigens ſcheint das S. 355 f. über die „nicht bloß keimartige, ſondern aus-
gebildete Geſtalt‟ der urſprünglichen Gerechtigkeit Adams von Philippi Bemerkte
uns zu weit zu gehen. Vgl. Dorner, S. 519.
2) zogs Real.-Enchklop., 2. Aufl.; Dorner, Syſtem der chr. Glaubenslehre,
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