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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. consonantische ableitungen. R.
empfänger, taglöhner mit behalten, empfangen, tagloh-
nen. Ferner folgt jaeger, pfänder aus jagen, pfänden,
nicht aber müller, maether, venner etc. überhaupt aus
infinitiven. Die alte sprache leitete eben die meisten
solcher wörter aus substantiven, in der that stammen vo-
galari, viscari nicht aus vogalon, viscon, sondern aus
vogal, visc; einzelnen stehen gar keine parallele verba
zur seite. Und wie heute aus subst. weiter keine ablei-
tungen auf -er treiben, sind auch manche alte bildun-
gen, weil die verkehrung des organismus den inf. für
sie nicht wuste, erloschen, z. b. nhd. kein schlüßeler, ese-
ler, stüter, lister (wohl aber überlister). -- Der unorg.
-ner sind mehr geworden, neben hafner, gärtner, lügner,
eigner, wagner gilt ein: bogner, bildner, gleisner, hütt-
ner, harfner, glöckner, klempner, kürschner, lautner,
redner, schuldner *), söldner etc. in eigennamen sogar:
müllner, kästner, schildner. Noch unrichtiger ist schil-
derer (pictor) nach dem inf. schildern (mhd. sciltaere,
nnl. schilder). --

Engl. gilt bloßes -er: fish-er; fowl-er; glov-er;
hatt-er; kill-er; swill-er (vorax); slumber-er u. a. m.;
garden-er, jewell-er, marin-er entspringen aus dem
franz. --

Die meisten ableitungen auf -arei drücken handelnde
masc. **) aus, doch nicht nothwendig alle; namentlich
bezeichnen die aus dem latein stammenden altari (altare)
karkari (carcer) solari (solarium) speihhari (spicarium)
weiari, weiwari T. 88. (vivarium) sagerare (sacrarium) bunre
(bonnarium, terminus) jun. 306. pfeteraere (petraria)
kiallari (cellarium) wofür mhd. kelre jun. 285. pundari
(pondus) zentner (centenarius) lauter sachen. Woher
rührt saccari (rogus)? es könnte auch deutsch sein wie
vaggareis, mhd. wangaere (culcitra) hals-ari (cervical)
flor. 983a oder ahd. ehirari (spicarium) blas. 32b. --

z) starke (oder schwache) femin. auf -arei,
können aus jedem adj. auf -ar entstehen, dem nur das ei
zugefügt wird, daher sie sich von den (meisten) männ-
lichen ableitungen -arei, wo auch das -ar hinzutritt, sehr
unterscheiden; goth. finde ich nur mund-rei (scopus)

*) dieses scheint doch älter, ja ahd., wenigstens sieht sculde-
[n]are in der gebetsformel bei Lambec. II. p. 462.
**) ob art mit dem starken verbo nr. 571b zus. hängt? dann
erläuterte der ablaut zugleich -arei.
I 2

III. conſonantiſche ableitungen. R.
empfänger, taglöhner mit behalten, empfangen, tagloh-
nen. Ferner folgt jæger, pfänder aus jâgen, pfänden,
nicht aber müller, mæther, venner etc. überhaupt aus
infinitiven. Die alte ſprache leitete eben die meiſten
ſolcher wörter aus ſubſtantiven, in der that ſtammen vo-
galari, viſcari nicht aus vogalôn, viſcôn, ſondern aus
vogal, viſc; einzelnen ſtehen gar keine parallele verba
zur ſeite. Und wie heute aus ſubst. weiter keine ablei-
tungen auf -er treiben, ſind auch manche alte bildun-
gen, weil die verkehrung des organiſmus den inf. für
ſie nicht wuſte, erloſchen, z. b. nhd. kein ſchlüßeler, eſe-
ler, ſtuͤter, liſter (wohl aber überliſter). — Der unorg.
-ner ſind mehr geworden, neben hâfner, gärtner, lügner,
eigner, wâgner gilt ein: bôgner, bildner, gleiſner, hütt-
ner, harfner, glöckner, klempner, kürſchner, lautner,
redner, ſchuldner *), ſöldner etc. in eigennamen ſogar:
müllner, käſtner, ſchildner. Noch unrichtiger iſt ſchil-
derer (pictor) nach dem inf. ſchildern (mhd. ſciltære,
nnl. ſchilder). —

Engl. gilt bloßes -er: fiſh-er; fowl-er; glov-er;
hatt-er; kill-er; ſwill-er (vorax); ſlumber-er u. a. m.;
garden-er, jewell-er, marin-er entſpringen aus dem
franz. —

Die meiſten ableitungen auf -arî drücken handelnde
maſc. **) aus, doch nicht nothwendig alle; namentlich
bezeichnen die aus dem latein ſtammenden altari (altare)
karkari (carcer) ſolari (ſolarium) ſpîhhari (ſpicarium)
wîari, wîwari T. 88. (vivarium) ſagerâre (ſacrarium) bunre
(bonnarium, terminus) jun. 306. pfeterære (petraria)
kiallari (cellarium) wofür mhd. kelre jun. 285. pundari
(pondus) zentner (centenarius) lauter ſachen. Woher
rührt ſaccari (rogus)? es könnte auch deutſch ſein wie
vaggareis, mhd. wangære (culcitra) halſ-âri (cervical)
flor. 983a oder ahd. ehirari (ſpicarium) blaſ. 32b. —

ζ) ſtarke (oder ſchwache) femin. auf -arî,
können aus jedem adj. auf -ar entſtehen, dem nur das î
zugefügt wird, daher ſie ſich von den (meiſten) männ-
lichen ableitungen -arî, wo auch das -ar hinzutritt, ſehr
unterſcheiden; goth. finde ich nur mund-rei (ſcopus)

*) dieſes ſcheint doch älter, ja ahd., wenigſtens ſieht ſculde-
[n]are in der gebetsformel bei Lambec. II. p. 462.
**) ob art mit dem ſtarken verbo nr. 571b zuſ. hängt? dann
erläuterte der ablaut zugleich -ârî.
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[131/0149] III. conſonantiſche ableitungen. R. empfänger, taglöhner mit behalten, empfangen, tagloh- nen. Ferner folgt jæger, pfänder aus jâgen, pfänden, nicht aber müller, mæther, venner etc. überhaupt aus infinitiven. Die alte ſprache leitete eben die meiſten ſolcher wörter aus ſubſtantiven, in der that ſtammen vo- galari, viſcari nicht aus vogalôn, viſcôn, ſondern aus vogal, viſc; einzelnen ſtehen gar keine parallele verba zur ſeite. Und wie heute aus ſubst. weiter keine ablei- tungen auf -er treiben, ſind auch manche alte bildun- gen, weil die verkehrung des organiſmus den inf. für ſie nicht wuſte, erloſchen, z. b. nhd. kein ſchlüßeler, eſe- ler, ſtuͤter, liſter (wohl aber überliſter). — Der unorg. -ner ſind mehr geworden, neben hâfner, gärtner, lügner, eigner, wâgner gilt ein: bôgner, bildner, gleiſner, hütt- ner, harfner, glöckner, klempner, kürſchner, lautner, redner, ſchuldner *), ſöldner etc. in eigennamen ſogar: müllner, käſtner, ſchildner. Noch unrichtiger iſt ſchil- derer (pictor) nach dem inf. ſchildern (mhd. ſciltære, nnl. ſchilder). — Engl. gilt bloßes -er: fiſh-er; fowl-er; glov-er; hatt-er; kill-er; ſwill-er (vorax); ſlumber-er u. a. m.; garden-er, jewell-er, marin-er entſpringen aus dem franz. — Die meiſten ableitungen auf -arî drücken handelnde maſc. **) aus, doch nicht nothwendig alle; namentlich bezeichnen die aus dem latein ſtammenden altari (altare) karkari (carcer) ſolari (ſolarium) ſpîhhari (ſpicarium) wîari, wîwari T. 88. (vivarium) ſagerâre (ſacrarium) bunre (bonnarium, terminus) jun. 306. pfeterære (petraria) kiallari (cellarium) wofür mhd. kelre jun. 285. pundari (pondus) zentner (centenarius) lauter ſachen. Woher rührt ſaccari (rogus)? es könnte auch deutſch ſein wie vaggareis, mhd. wangære (culcitra) halſ-âri (cervical) flor. 983a oder ahd. ehirari (ſpicarium) blaſ. 32b. — ζ) ſtarke (oder ſchwache) femin. auf -arî, können aus jedem adj. auf -ar entſtehen, dem nur das î zugefügt wird, daher ſie ſich von den (meiſten) männ- lichen ableitungen -arî, wo auch das -ar hinzutritt, ſehr unterſcheiden; goth. finde ich nur mund-rei (ſcopus) *) dieſes ſcheint doch älter, ja ahd., wenigſtens ſieht ſculde- nare in der gebetsformel bei Lambec. II. p. 462. **) ob art mit dem ſtarken verbo nr. 571b zuſ. hängt? dann erläuterte der ablaut zugleich -ârî. I 2

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/149>, abgerufen am 31.10.2024.