Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

sprach Ernst. "In der That," erwiederte Wili¬
bald, "es scheint Wichtiges, denn, ist Exter gleich
des Mädchens Pathe und ganz vernarrt in sie,
so pflegt er doch nicht sogleich aus der Gesellschaft
mit ihr davon zu laufen." -- In dem Augenblick
blieb der türkische Gesandte stehen, streckte den rech¬
ten Arm weit von sich und rief mit starker Stimme,
daß es im ganzen Garten wiederhallte: "Appor¬
te!" -- Wilibald brach in ein lautes Gelächter aus,
"Wahrhaftig," sprach er dann, "es ist weiter nichts,
als daß Exter Julien zum tausendstenmahl die merk¬
würdige Geschichte vom Seehunde erzählt." Ernst
wollte diese merkwürdige Geschichte durchaus wissen.
"Erfahre denn," sprach Wilibald, "daß Exters
Pallast dicht am Bosphorus lag, so daß Stufen
von dem feinsten kararischen Marmor hinabführten
ins Meer. Eines Tages steht Exter auf der Gal¬
lerie in die tiefsinnigsten Betrachtungen versunken,
aus denen ihn ein durchdringender gellender Schrey
hinausreißt. Er schaut hinab und siehe, ein unge¬
heurer Seehund ist aus dem Meer hinaufgetaucht
und hat einem armen türkischen Weibe, die auf den

ſprach Ernſt. „In der That,“ erwiederte Wili¬
bald, „es ſcheint Wichtiges, denn, iſt Exter gleich
des Maͤdchens Pathe und ganz vernarrt in ſie,
ſo pflegt er doch nicht ſogleich aus der Geſellſchaft
mit ihr davon zu laufen.“ — In dem Augenblick
blieb der tuͤrkiſche Geſandte ſtehen, ſtreckte den rech¬
ten Arm weit von ſich und rief mit ſtarker Stimme,
daß es im ganzen Garten wiederhallte: „Appor¬
te!“ — Wilibald brach in ein lautes Gelaͤchter aus,
„Wahrhaftig,“ ſprach er dann, „es iſt weiter nichts,
als daß Exter Julien zum tauſendſtenmahl die merk¬
wuͤrdige Geſchichte vom Seehunde erzaͤhlt.“ Ernſt
wollte dieſe merkwuͤrdige Geſchichte durchaus wiſſen.
„Erfahre denn,“ ſprach Wilibald, „daß Exters
Pallaſt dicht am Bosphorus lag, ſo daß Stufen
von dem feinſten karariſchen Marmor hinabfuͤhrten
ins Meer. Eines Tages ſteht Exter auf der Gal¬
lerie in die tiefſinnigſten Betrachtungen verſunken,
aus denen ihn ein durchdringender gellender Schrey
hinausreißt. Er ſchaut hinab und ſiehe, ein unge¬
heurer Seehund iſt aus dem Meer hinaufgetaucht
und hat einem armen tuͤrkiſchen Weibe, die auf den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0353" n="345"/>
&#x017F;prach Ern&#x017F;t. &#x201E;In der That,&#x201C; erwiederte Wili¬<lb/>
bald, &#x201E;es &#x017F;cheint Wichtiges, denn, i&#x017F;t Exter gleich<lb/>
des Ma&#x0364;dchens Pathe und ganz vernarrt in &#x017F;ie,<lb/>
&#x017F;o pflegt er doch nicht &#x017F;ogleich aus der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/>
mit ihr davon zu laufen.&#x201C; &#x2014; In dem Augenblick<lb/>
blieb der tu&#x0364;rki&#x017F;che Ge&#x017F;andte &#x017F;tehen, &#x017F;treckte den rech¬<lb/>
ten Arm weit von &#x017F;ich und rief mit &#x017F;tarker Stimme,<lb/>
daß es im ganzen Garten wiederhallte: &#x201E;<hi rendition="#aq">Appor</hi>¬<lb/><hi rendition="#aq">te</hi>!&#x201C; &#x2014; Wilibald brach in ein lautes Gela&#x0364;chter aus,<lb/>
&#x201E;Wahrhaftig,&#x201C; &#x017F;prach er dann, &#x201E;es i&#x017F;t weiter nichts,<lb/>
als daß Exter Julien zum tau&#x017F;end&#x017F;tenmahl die merk¬<lb/>
wu&#x0364;rdige Ge&#x017F;chichte vom Seehunde erza&#x0364;hlt.&#x201C; Ern&#x017F;t<lb/>
wollte die&#x017F;e merkwu&#x0364;rdige Ge&#x017F;chichte durchaus wi&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
&#x201E;Erfahre denn,&#x201C; &#x017F;prach Wilibald, &#x201E;daß Exters<lb/>
Palla&#x017F;t dicht am Bosphorus lag, &#x017F;o daß Stufen<lb/>
von dem fein&#x017F;ten karari&#x017F;chen Marmor hinabfu&#x0364;hrten<lb/>
ins Meer. Eines Tages &#x017F;teht Exter auf der Gal¬<lb/>
lerie in die tief&#x017F;innig&#x017F;ten Betrachtungen ver&#x017F;unken,<lb/>
aus denen ihn ein durchdringender gellender Schrey<lb/>
hinausreißt. Er &#x017F;chaut hinab und &#x017F;iehe, ein unge¬<lb/>
heurer Seehund i&#x017F;t aus dem Meer hinaufgetaucht<lb/>
und hat einem armen tu&#x0364;rki&#x017F;chen Weibe, die auf den<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[345/0353] ſprach Ernſt. „In der That,“ erwiederte Wili¬ bald, „es ſcheint Wichtiges, denn, iſt Exter gleich des Maͤdchens Pathe und ganz vernarrt in ſie, ſo pflegt er doch nicht ſogleich aus der Geſellſchaft mit ihr davon zu laufen.“ — In dem Augenblick blieb der tuͤrkiſche Geſandte ſtehen, ſtreckte den rech¬ ten Arm weit von ſich und rief mit ſtarker Stimme, daß es im ganzen Garten wiederhallte: „Appor¬ te!“ — Wilibald brach in ein lautes Gelaͤchter aus, „Wahrhaftig,“ ſprach er dann, „es iſt weiter nichts, als daß Exter Julien zum tauſendſtenmahl die merk¬ wuͤrdige Geſchichte vom Seehunde erzaͤhlt.“ Ernſt wollte dieſe merkwuͤrdige Geſchichte durchaus wiſſen. „Erfahre denn,“ ſprach Wilibald, „daß Exters Pallaſt dicht am Bosphorus lag, ſo daß Stufen von dem feinſten karariſchen Marmor hinabfuͤhrten ins Meer. Eines Tages ſteht Exter auf der Gal¬ lerie in die tiefſinnigſten Betrachtungen verſunken, aus denen ihn ein durchdringender gellender Schrey hinausreißt. Er ſchaut hinab und ſiehe, ein unge¬ heurer Seehund iſt aus dem Meer hinaufgetaucht und hat einem armen tuͤrkiſchen Weibe, die auf den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/353
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/353>, abgerufen am 31.10.2024.