unsern eigenen und den Stammbaum des ganzen großen Hauses, dem wir angehören, wenn auch nicht bis zu seinen Wurzeln, doch bis zu den uns zunächst umgebenden Stellen etwas näher kennen zu lernen.
Diese Lust, seine Abstammung zu erfahren, und sie auf so viele Generationen, als nur immer möglich auszudehnen, diese dem menschlichen Geschlechte, wie es scheint, angeborene Sucht hat, nebst einer anderen bekannten Kaste, besonders die Sekte unserer sogenannten Geologen ergriffen. Ueber keinen Gegenstand hat man, in unserer hypothesenreichen Zeit, so viele, und man darf es kühn hinzusetzen, so alberne Theorien aufgestellt, als über die Entstehung der Erde. Nur die drei letzten Decennien haben ihrer mehr als sechszig ausgebrütet, so daß auf jedes Jahr we- nigstens zwei derselben kommen, und man ist dabei auf eine Art zu Werke gegangen, daß man sich eigentlich nur darüber wundern muß, warum man nicht noch mehr, warum man in derselben Zeit nicht wenigstens Tausend und Eines dieser Mährchen zu Tage gefördert hat. Allerdings wagt man es in unserer Zeit nicht mehr, mit einem großen Geologen des siebenzehnten Jahrhunderts, der auch zugleich ein großer Theolog gewesen seyn soll, zu be- haupten, daß die großen Zähne, die man an den Ufern des Ohio gefunden hat, die Backenzähne der gefallenen Engel seyn sollen. Solche Behauptungen sind nicht mehr nach dem Geschmacke unserer Zeit, woraus aber im geringsten nicht folgt, daß die neuen Moden auch zugleich besser oder vernünftiger sind, als jene, denen wir kaum mehr ein gutmüthiges Lächeln gönnen. Der Quäcker Bur- nett, aus der letzten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, macht es um kein Haar besser, als sein Vorgänger, und benimmt sich dabei so dreist, als ob er selbst bei der Schöpfungsgeschichte einer der allernächsten Zuschauer gewesen wäre. Der berühmte Wood- ward nahm, um die Revolutionen, welche die Erde in der Vor- zeit erfahren hat, zu erklären, ohne Weiteres an, daß einige der ewigen Gesetze der Natur auf gewisse Zeit aufgehoben seyn mußten, und er macht seine Sache so arg, daß man, um die Revolutio- nen, die in seinem eigenen Kopfe vorgegangen seyn mochten, zu erklären, die nicht minder ewigen Gesetze des Denkens, wenigstens wieder auf einige Zeit, aufzuheben gezwungen war. Daß endlich erst in
Urſprung des Weltſyſtems.
unſern eigenen und den Stammbaum des ganzen großen Hauſes, dem wir angehören, wenn auch nicht bis zu ſeinen Wurzeln, doch bis zu den uns zunächſt umgebenden Stellen etwas näher kennen zu lernen.
Dieſe Luſt, ſeine Abſtammung zu erfahren, und ſie auf ſo viele Generationen, als nur immer möglich auszudehnen, dieſe dem menſchlichen Geſchlechte, wie es ſcheint, angeborene Sucht hat, nebſt einer anderen bekannten Kaſte, beſonders die Sekte unſerer ſogenannten Geologen ergriffen. Ueber keinen Gegenſtand hat man, in unſerer hypotheſenreichen Zeit, ſo viele, und man darf es kühn hinzuſetzen, ſo alberne Theorien aufgeſtellt, als über die Entſtehung der Erde. Nur die drei letzten Decennien haben ihrer mehr als ſechszig ausgebrütet, ſo daß auf jedes Jahr we- nigſtens zwei derſelben kommen, und man iſt dabei auf eine Art zu Werke gegangen, daß man ſich eigentlich nur darüber wundern muß, warum man nicht noch mehr, warum man in derſelben Zeit nicht wenigſtens Tauſend und Eines dieſer Mährchen zu Tage gefördert hat. Allerdings wagt man es in unſerer Zeit nicht mehr, mit einem großen Geologen des ſiebenzehnten Jahrhunderts, der auch zugleich ein großer Theolog geweſen ſeyn ſoll, zu be- haupten, daß die großen Zähne, die man an den Ufern des Ohio gefunden hat, die Backenzähne der gefallenen Engel ſeyn ſollen. Solche Behauptungen ſind nicht mehr nach dem Geſchmacke unſerer Zeit, woraus aber im geringſten nicht folgt, daß die neuen Moden auch zugleich beſſer oder vernünftiger ſind, als jene, denen wir kaum mehr ein gutmüthiges Lächeln gönnen. Der Quäcker Bur- nett, aus der letzten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, macht es um kein Haar beſſer, als ſein Vorgänger, und benimmt ſich dabei ſo dreiſt, als ob er ſelbſt bei der Schöpfungsgeſchichte einer der allernächſten Zuſchauer geweſen wäre. Der berühmte Wood- ward nahm, um die Revolutionen, welche die Erde in der Vor- zeit erfahren hat, zu erklären, ohne Weiteres an, daß einige der ewigen Geſetze der Natur auf gewiſſe Zeit aufgehoben ſeyn mußten, und er macht ſeine Sache ſo arg, daß man, um die Revolutio- nen, die in ſeinem eigenen Kopfe vorgegangen ſeyn mochten, zu erklären, die nicht minder ewigen Geſetze des Denkens, wenigſtens wieder auf einige Zeit, aufzuheben gezwungen war. Daß endlich erſt in
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0204"n="192"/><fwplace="top"type="header">Urſprung des Weltſyſtems.</fw><lb/>
unſern eigenen und den Stammbaum des ganzen großen Hauſes,<lb/>
dem wir angehören, wenn auch nicht bis zu ſeinen Wurzeln,<lb/>
doch bis zu den uns zunächſt umgebenden Stellen etwas näher<lb/>
kennen zu lernen.</p><lb/><p>Dieſe Luſt, ſeine Abſtammung zu erfahren, und ſie auf ſo<lb/>
viele Generationen, als nur immer möglich auszudehnen, dieſe<lb/>
dem menſchlichen Geſchlechte, wie es ſcheint, angeborene Sucht<lb/>
hat, nebſt einer anderen bekannten Kaſte, beſonders die Sekte<lb/>
unſerer ſogenannten Geologen ergriffen. Ueber keinen Gegenſtand<lb/>
hat man, in unſerer hypotheſenreichen Zeit, ſo viele, und man<lb/>
darf es kühn hinzuſetzen, ſo alberne Theorien aufgeſtellt, als über<lb/>
die Entſtehung der Erde. Nur die drei letzten Decennien haben<lb/>
ihrer mehr als ſechszig ausgebrütet, ſo daß auf jedes Jahr we-<lb/>
nigſtens zwei derſelben kommen, und man iſt dabei auf eine Art<lb/>
zu Werke gegangen, daß man ſich eigentlich nur darüber wundern<lb/>
muß, warum man nicht noch mehr, warum man in derſelben Zeit<lb/>
nicht wenigſtens <hirendition="#g">Tauſend und Eines</hi> dieſer Mährchen zu Tage<lb/>
gefördert hat. Allerdings wagt man es in unſerer Zeit nicht<lb/>
mehr, mit einem großen Geologen des ſiebenzehnten Jahrhunderts,<lb/>
der auch zugleich ein großer Theolog geweſen ſeyn ſoll, zu be-<lb/>
haupten, daß die großen Zähne, die man an den Ufern des Ohio<lb/>
gefunden hat, die Backenzähne der gefallenen Engel ſeyn ſollen.<lb/>
Solche Behauptungen ſind nicht mehr nach dem Geſchmacke unſerer<lb/>
Zeit, woraus aber im geringſten nicht folgt, daß die neuen Moden<lb/>
auch zugleich beſſer oder vernünftiger ſind, als jene, denen wir<lb/>
kaum mehr ein gutmüthiges Lächeln gönnen. Der Quäcker <hirendition="#g">Bur-<lb/>
nett</hi>, aus der letzten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, macht<lb/>
es um kein Haar beſſer, als ſein Vorgänger, und benimmt ſich<lb/>
dabei ſo dreiſt, als ob er ſelbſt bei der Schöpfungsgeſchichte einer<lb/>
der allernächſten Zuſchauer geweſen wäre. Der berühmte <hirendition="#g">Wood-<lb/>
ward</hi> nahm, um die Revolutionen, welche die Erde in der Vor-<lb/>
zeit erfahren hat, zu erklären, ohne Weiteres an, daß einige der<lb/>
ewigen Geſetze der Natur auf gewiſſe Zeit aufgehoben ſeyn mußten,<lb/>
und er macht ſeine Sache ſo arg, daß man, um die Revolutio-<lb/>
nen, die in ſeinem eigenen Kopfe vorgegangen ſeyn mochten, zu<lb/>
erklären, die nicht minder ewigen Geſetze des Denkens, wenigſtens<lb/>
wieder auf einige Zeit, aufzuheben gezwungen war. Daß endlich erſt in<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[192/0204]
Urſprung des Weltſyſtems.
unſern eigenen und den Stammbaum des ganzen großen Hauſes,
dem wir angehören, wenn auch nicht bis zu ſeinen Wurzeln,
doch bis zu den uns zunächſt umgebenden Stellen etwas näher
kennen zu lernen.
Dieſe Luſt, ſeine Abſtammung zu erfahren, und ſie auf ſo
viele Generationen, als nur immer möglich auszudehnen, dieſe
dem menſchlichen Geſchlechte, wie es ſcheint, angeborene Sucht
hat, nebſt einer anderen bekannten Kaſte, beſonders die Sekte
unſerer ſogenannten Geologen ergriffen. Ueber keinen Gegenſtand
hat man, in unſerer hypotheſenreichen Zeit, ſo viele, und man
darf es kühn hinzuſetzen, ſo alberne Theorien aufgeſtellt, als über
die Entſtehung der Erde. Nur die drei letzten Decennien haben
ihrer mehr als ſechszig ausgebrütet, ſo daß auf jedes Jahr we-
nigſtens zwei derſelben kommen, und man iſt dabei auf eine Art
zu Werke gegangen, daß man ſich eigentlich nur darüber wundern
muß, warum man nicht noch mehr, warum man in derſelben Zeit
nicht wenigſtens Tauſend und Eines dieſer Mährchen zu Tage
gefördert hat. Allerdings wagt man es in unſerer Zeit nicht
mehr, mit einem großen Geologen des ſiebenzehnten Jahrhunderts,
der auch zugleich ein großer Theolog geweſen ſeyn ſoll, zu be-
haupten, daß die großen Zähne, die man an den Ufern des Ohio
gefunden hat, die Backenzähne der gefallenen Engel ſeyn ſollen.
Solche Behauptungen ſind nicht mehr nach dem Geſchmacke unſerer
Zeit, woraus aber im geringſten nicht folgt, daß die neuen Moden
auch zugleich beſſer oder vernünftiger ſind, als jene, denen wir
kaum mehr ein gutmüthiges Lächeln gönnen. Der Quäcker Bur-
nett, aus der letzten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, macht
es um kein Haar beſſer, als ſein Vorgänger, und benimmt ſich
dabei ſo dreiſt, als ob er ſelbſt bei der Schöpfungsgeſchichte einer
der allernächſten Zuſchauer geweſen wäre. Der berühmte Wood-
ward nahm, um die Revolutionen, welche die Erde in der Vor-
zeit erfahren hat, zu erklären, ohne Weiteres an, daß einige der
ewigen Geſetze der Natur auf gewiſſe Zeit aufgehoben ſeyn mußten,
und er macht ſeine Sache ſo arg, daß man, um die Revolutio-
nen, die in ſeinem eigenen Kopfe vorgegangen ſeyn mochten, zu
erklären, die nicht minder ewigen Geſetze des Denkens, wenigſtens
wieder auf einige Zeit, aufzuheben gezwungen war. Daß endlich erſt in
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/204>, abgerufen am 01.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.