Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Erstes Buch [Spaltenumbruch]
Alle Fürsien lasen zwar diese Zeilen/ Hertzog Unterdessen hatte der Priester Libys denen habe/
Erſtes Buch [Spaltenumbruch]
Alle Fuͤrſien laſen zwar dieſe Zeilen/ Hertzog Unterdeſſen hatte der Prieſter Libys denen habe/
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Erſtes Buch
Alle Fuͤrſien laſen zwar dieſe Zeilen/ Hertzog
Jubil aber war der erſte/ der alle Geheimnuͤße
dieſer Wahrſagung am erſten ergruͤndete. Sin-
temahl er ſich der Erzehlung vom Hertzog Herꝛ-
mann erinnerte/ welche ihm der Schutz-Geiſt
des Gabretiſchen Gebuͤrges nicht nur/ daß er
ein Erloͤſer des dienſtbaren Deutſchlandes ſeyn/
ſondern auch deßwegen eine in Stein gegrabe-
ne Wahrſagung bey dem Tanfaniſchen Tem-
pel gefunden werden wuͤrde/ vorhin angedeutet
haͤtte. Weil nun Hertzog Jubil dieſes kuͤrtz-
lich erzehlte; war die in dieſer Wahrſagung ent-
haltene Billigung des zum Heerfuͤhrer erwehl-
ten Hertzog Herrmanns deutlich genug zu ver-
ſtehen; und weil die erſte Schrifft allbereit durch
die in diß Grab gelegte Fuͤrſtin Walpurgis
Sonnenklar wahr gemacht war/ fand die letz-
tere ſo viel mehr Glauben und zohe deſto groͤſ-
ſer Vertrauen zu dem neuen Feldherrn und
dem kuͤnfftigen Siege nach ſich. Weßwegen
der gantze Heyn ſeine Freude uͤber dieſer gluͤctli-
chen Wahl durch ein allgemeines Frolocken
kund machte.
Unterdeſſen hatte der Prieſter Libys denen
vieꝛ ſchoͤnſten und groͤſten weiſſen Pfeꝛden/ dereꝛ
eine ziemliche Anzahlin ſelbigem heiligen Heyne
erzo gen/ und keines zu irrdiſcher Arbeit ge-
braucht/ auch von ſonſt keinem Menſchen/ als
dem Prieſter/ weder gefuͤttert noch beſchritten
wird/ das erſte Gebiß und Zaum anlegen laſ-
ſen/ ſelbte mit ſilbernem Zeuge und ſeidenen
Qvaſten rother Farbe/ welche bey dieſen Voͤl-
ckern Krieg andeutet/ belegen und an einen ge-
weiheten Wagen ſpannen/ auch ſolchen fuͤr den
Zelten in Bereitſchafft halten laſſen. Sie rauch-
ten fuͤr Hitze und Schweiß/ da ſie doch in etli-
chen Tagen nicht aus dem Stalle kommen wa-
ren; welches ſie dahin ausdeuteten: daß die
Schutz-Geiſter ſelbiges Orts allbereit auff ſelb-
ten wider die Feinde geſtritten haͤtten. Dieſem
nach die Prieſter denn auch alſofort dem Feld-
herrn mit vielen Seegenſpruͤchen drey Kriegs-
Bilder/ welche noch die Vorfahren in dieſem
Heyne aufgehenckt hatten/ und unter den
Deutſchen/ wie bey den Roͤmern die Adler/ zu
Kriegs-Fahnen gebraucht worden/ uͤberreich-
ten. Jn dem erſten war ihres Uhranherrns
des Tuiſcons Haupt/ im andern ein Pferd/ im
dritten ein Loͤwe abgebildet. Die Pferde aber
fingen hefftig zu ſchaͤumen und zu wiehern an.
Welches Libys und die andern verſammleten
Prieſter fuͤr ein uͤberaus gutes Zeichen des
Sieges auslegten; ſonderlich weil ſelbte den
rechten Fuß zu erſt aufhoben/ durch die in der
Erde geſteckten Lantzen ohne einige Beruͤh-
rung durchrenneten. Daher ſie alle ſo wohl
den Hertzog Herrmann als die andern Fuͤr-
ſten/ welche fuͤr dem Wagen hertraten und
dem Heere zueileten/ mit tauſend Gluͤckswuͤn-
ſchen begleiteten. Denn dieſe Anzeigungen
verſicherten die Fuͤrſten ſo gewiß des Sieges/
als wenn ſie ſelbten ſchon in den Haͤnden haͤtten.
Sintemahl zwar die Deutſchen mit den mei-
ſten Voͤlckern auch aus denen Eingeweiden
des Opffer-Viehes/ aus dem Fluge der Ad-
ler/ Habichte und Geyer/ aus dem Geſchrey
der Raben/ der Kraͤhe und Nacht-Eulen/ aus
dem Lauffe der Woͤlffe/ Fuͤchſe und Schlan-
gen/ aus den Wirbeln der Fluͤſſe/ aus fallen-
den Lufft-Sternen/ und aus Andeutungen de-
rer zu erſcheinen genoͤthigten Geiſter kuͤnffti-
ge Begebenheiten zu erforſchen pflegen; in-
ſonderheit aber aus der Anzahl vieler ungefehr
in die Aſche gemachte Striche/ und durch ge-
wiſſe aus einer fruchtbaren Gaͤrthe gekerbe-
te und mit unterſchiedenen Merckmahlen be-
zeichnete Hoͤltzlein/ die der Prieſter auff ein
weiſſes Kleid ausſchuͤttet/ und hernach zu drey-
en wieder aufflieſet/ ihr bevorſtehendes Gluͤcke
zu ergruͤnden vermeinen; ſo ſetzen ſie doch auff
keine Wahrſagung mehr Vertrauen/ als auff
die Andeutung dieſer geweyheten Pferde.
Nicht zwar/ daß ſie ihnen eine Wiſſenſchafft
deſſen/ was das Verhaͤngniß ihnen beſtimmet
habe/
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