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Allgemeine Zeitung, Nr. 33, 2. Februar 1850.

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Beilage zu Nr. 33 der Allg. Zeitung.
Sonnabend. 2 Februar 1850.


[Spaltenumbruch]
Uebersicht.
Aus dem Goldlande. -- Zur süddeutschen Postfrage. -- Die öster-
reichisch-deutsche Zolleinigung. -- Hannover. (Die Ausschüsse und ihre
Aufgabe. Die Eisenbahnen und ihr Anschluß.) -- Aachen. -- Actenstücke
in Sachen der mecklenburgischen Verfassung. -- Schleswig-Holstein. --
Personalnachrichten.


Aus dem Goldlande.

(Aus Privatbriefen eines jungen deutschen Kaufmanns.)


Nach einer glücklichen und wohl
auch schnellen Reise von fünfzig Tagen kamen wir von Valparaiso hier
an, und fuhren am 12 I. M. in die Bay von San Francisco ein. Wir
mußten diese Einfahrt vier Tage lang gegen widrige Winde erkämpfen,
welche uns immer wieder in die hohe See zurücktrieben.

Mehrere Schiffe kamen uns entgegen, und es schien uns dieß eine
gute Vorbedeutung geregelten Verkehrs zu seyn. Als wir jedoch an dem
verfallenen Fort vorüberfuhren, welches mit keiner einzigen Kanone ver-
sehen ist, wurden wenigstens meine Erwartungen wieder etwas herabge-
stimmt, und wie wir vollends in dem Hafen Anker warfen und gegen
500 Schiffe ohne allen Verkehr und nur hie und da mit einer mensch-
lichen Gestalt erblickten, da ergriff mich ein unheimliches Gefühl. Wir
konnten nur einige, jedoch niedliche Häuser der Stadt erblicken, den
übrigen Theil verbargen uns Hügel.

Am Sonnabend fuhren mehrere Passagiere in die Stadt, und kamen
mit großen und fabelhaften Erzählungen an Bord zurück. Ich selbst be-
trat erst am Sonntag Morgen diese Stadt, in welcher ich für längere
Zeit meinen Aufenthalt nehmen und mein Glück, so Gott will, zu be-
gründen hoffe. Wenn ich die Benennung Stadt gebrauche, so muß ich
dabei bemerken daß dieselbe wie eine große deutsche Messe ausfieht und
meist aus bölzernen Buden und Zelten besteht, mit wenigen einstöckigen
hölzernen und einer geringen Anzahl altspanischer Häuser vermischt.
Und in dieser Stadt treiben sich gegen 50,000 Einwohner von allen Na-
tionen in dem lebendigsten Verkehr herum. Fast alle Waaren lagern
auf offener Straße, niemand versperrt die Häuser, und es herrscht eine
unglaubliche Sicherheit daselbst, weil jedes Vergehen gegen Staat und
Gesetz furchtbar, meistens durch Hängen, bestraft wird. In den vierzehn
Tagen welche ich daselbst lebe, wurden sieben gehenkt.

Mein Eintritt hier war mit großer Noth und Bedrängniß verbun-
den. Ich komme als junger Kaufmann hieher um mein Glück zu machen,
habe mich mit mehreren Freunden, welche einiges Vermögen hatten, zum
gemeinschaftlichen Etablissement verbunden und viele Waaren in Con-
stgnation bei mir. Kaum waren wir angelandet, so läuft alles von mei-
ner Compagnieschaft was Geld hatte fort in die Golddistricte, und an-
dere Passagiere, für deren Solidität ich mein Leben eingesetzt hätte, folgten
damit meine Waaren ans Land schaffen und verzollen, was hier enorme
Kosten macht. Denkt euch meinen verzweiflungsvollen Zustand. Ich
wußte mir keinen Rath und Entschluß zu fassen, hatte Tag und Nacht
die goldverlockendsten und schwindelndsten Träumereien, und war nahe
daran alles im Stich zu lassen und auch in die Goldminen zu laufen.
Da suchte ich Trost und Ruhe im Gebet, und Gott hat mich erhört und
nicht verlassen in meiner Noth, sondern mir Ruhe und die gewohnte
Sicherheit des Handelns zurückgegeben. Man findet in der ganzen Welt
gute Leute, und so habe ich auch hier ein wohlwollendes Haus gesunden
welches meine Waaren aufnahm und mich dadurch vor großem Verlust
und Kosten bewahrte, denn ein besonderes Magazin kostet monatlich 500
bis 800 Dollars. Ich habe Ehre und Credit gewahrt. Es ist zwar sehr
verlockend dem gewinnreichen Goldgraben nachzugehen, denn dieses Me-
tall kommt hier nicht nach Unzen oder Pfunden, sondern, ohne alle
Uebertreibung, nach Centnern in die Stadt. Mir aber schaudert vor den
Flüchen und Verwünschungen vieler meiner Landsleute, welche reich oder
arm, aber meist mit siechem Körper aus den Golddistricten zurückkehren,
und die Stunde verwünschen welche fie zu diesem Unternehmen verleitet hat.
Und dennoch find der glücklichen Beispiele so viele, daß selbst die beson-
nensten Leute versucht werden ihre Gesundheit dem fabelhaften Gold-
reichthum zu opfern. Es ist nichts über diesen Reichthum zu viel gesagt
oder geschrieben worden, denn das Gold findet sich in unermeßlichen Di-
stricten an allen Ecken und Enden, und in unerschöpflicher Weise. Da-
durch kommt es aber auch daß in der Stadt San Francisco alles enorm
[Spaltenumbruch] theuer ist, und jede Mühe und Arbeit unerhört bezahlt wird. Wäsche
aller Art wechselt man nicht, sondern wirft die gebrauchte weg und kauft
neue, weil das Duzend, gleichviel ob Hemden oder Strümpfe, 6 Dollars
zu waschen kostet, wogegen man 1 Duzend ganz gute neue Hemden um
5 bis 6 Dollars und 1 Duzend Socken um 11/2 Dollar kauft. Essen
und Trinken ist gut aber theuer, unter einem Dollar ist nichts zu haben.
Gemüse gehören zu den Seltenheiten und werden mit Gold aufgewogen,
z. B. ein Kohlkopf, aber lange nicht so schön wie bei uns, um 3 Dollars
(gleich 7 fl. 8 kr.); 100 Pfund chilefische Kartoffeln koften 25 Dollars;
1 Pfund Butter3/4 Dollar, 1 Pfund Käse 11/2 Dollars, 1 Flasche Bier
1 Dollar. Ich habe anfangs mit meinem einzig treugebliebenen Freunde
G. ein amerikanisches hölzernes Haus, 20 Fuß lang und 12 Fuß breit,
gemiethet, und für dieses Loch, welches nichts als die nackten Wände
bot, müssen wir für den Monat 150 Dollars (299 fl.) bezahlen. Möbel
trifft man nur in den Restaurationen an, und für eine gute Commode
kann man leicht 100 Dollars bekommen. Die Kost- und Logishäuser,
meistens im Besitz von Chinesen, haben an den Seitenwänden Cojen,
wie die Schiffe, und in einem Zimmer wohnen 30 bis 40 Menschen bei-
sammen, wofür jeder wöchentlich 12 bis 15 Dollars zu zahlen hat. Von
Handwerkern haben nur Tischler und Zimmerleute Arbeit, aber auch
enormen Verdienst, 8 bis 15 Dollars für den Tag. In der Apotheke
bekommt man unter drei Dollars nichts, und der Gang eines Arztes
wird mit 5 bis 15, ja sogar mit 40 Dollars bezahlt. *)

Dessen ungeachtet find Waaren aller Art, und selbst Lurusartikel
im Ueberfluß vorhanden. Wenn ich, statt mit Waaren, mit 10,000 fl.
Capital hier angekommen wäre, so wollte ich in einem halben Jahre als
ein reicher Mann zurückkehren.

Das Klima ist nicht sehr gesund, weil viele und heftige Winde we-
hen und die Temperatur zu sehr wechselt. Bei Sonnenschein 26 bis 27
Grad Reaumur, während der Regenzeit 18 bis 20 unter Tags, Nachts
oft 10 bis 15 weniger. Man kleidet sich daher durchgehends warm und
in Wolle. Sommerkleider find nicht zu brauchen. Oefen kennt man hier
nicht, weil das Einheizen kein Bedürfniß ist.

Um wieder auf die Goldminen zurückzukommen, so bemerke ich daß
man mittelst Dampfschiffe oder Postwagen in 4 bis 5 Tagen dahin be-
quem reisen kann. Ich bin froh daß ich den alle Fibern aufregenden An-
blick des täglich einkommenden Goldes überwunden habe, und danke
Gott daß er mich in anderer Weise glücklich gemacht hat. Es ist mir
nämlich an mehreren Plätzen der Befitzer der ersten Conditorei nachge-
gangen und hat mir eröffnet daß er besonderes Vertrauen zu mir habe,
wenn ich eine Stelle als Aufseher und Buchführer bei ihm annehmen
wollte. Er bot mir Essen, Trinken und Quartier frei und für den Monat
125 Dollars. Wenn ich aber mich für die ganze Regenzeit engagiren
wollte, monatlich 200 Dollars (520 fl.). Ich nahm das letztere an, und
werde mir nun während des Winters so viel verdienen, um im Frühjahr
mit eigenen Mitteln mein Geschäft beginnen zu können. Ich habe mich
genau über den Markt unterrichtet, und erhalte täglich Nachricht über
den Stand der Preise meiner Waaren, damit ich sie mit Gelegenheit
vortheilhaft verkaufen kann. Ueber den Gang der Geschäfte für die
nächste Zukunft werde ich am 1 December weitere Nachricht geben.

Bezüglich der Lebensweise muß ich noch bemerken daß man meistens
Fleisch ißt, dessen zu vieler Genuß aber nicht gesund ist, und daß man,
was mir sehr leid thut, kein frisches Wasser allein trinken darf ohne eine
Dyssenterie zu riskiren, welche 3 bis 4 Monate dauert und oft das Leben
kostet. Mir kommt hierbei der mitgebrachte Robert W. sehr gut zu
statten, von welchem ich eine kleine Quantität beimische.

Ich habe nur einen einzigen Wunsch: daß Gott euch und mich recht
gesund und kräftig erhalten möge.



Zur süddeutschen Postfrage.

.M. Ihre Blätter bringen aus Frankfurt die Nachricht daß in der
württembergisch-Taris'schen Streitsache an die österreichischen Bundes-
commissarien die Instruction ergangen alsbald eine Vermittlung oder die
Einleitung eines schiedsrichterlichen Verfahrens zu erwirken. Wir be-
grüßen diese Kunde mit Freude, weil wir aus ihr die Hoffnung schöpfen
daß dieser Rechtshandel, bei welchem nicht nur die kämpfenden Parteien,
sondern auch Oesterreich, Bayern, Baden und Frankreich so wesentlich
betheiligt find, endlich einmal dem allgemeinen Interesse entsprechend er-
ledigt werde. Hätten wir einen Wunsch auszusprechen, so wäre es der

*) Ein Dollar beträgt bekanntlich 2 fl. 30 kr. rheinisch.
Beilage zu Nr. 33 der Allg. Zeitung.
Sonnabend. 2 Februar 1850.


[Spaltenumbruch]
Ueberſicht.
Aus dem Goldlande. — Zur ſüddeutſchen Poſtfrage. — Die öſter-
reichiſch-deutſche Zolleinigung. — Hannover. (Die Ausſchüſſe und ihre
Aufgabe. Die Eiſenbahnen und ihr Anſchluß.) — Aachen. — Actenſtücke
in Sachen der mecklenburgiſchen Verfaſſung. — Schleswig-Holſtein. —
Perſonalnachrichten.


Aus dem Goldlande.

(Aus Privatbriefen eines jungen deutſchen Kaufmanns.)


Nach einer glücklichen und wohl
auch ſchnellen Reiſe von fünfzig Tagen kamen wir von Valparaiſo hier
an, und fuhren am 12 I. M. in die Bay von San Francisco ein. Wir
mußten dieſe Einfahrt vier Tage lang gegen widrige Winde erkämpfen,
welche uns immer wieder in die hohe See zurücktrieben.

Mehrere Schiffe kamen uns entgegen, und es ſchien uns dieß eine
gute Vorbedeutung geregelten Verkehrs zu ſeyn. Als wir jedoch an dem
verfallenen Fort vorüberfuhren, welches mit keiner einzigen Kanone ver-
ſehen iſt, wurden wenigſtens meine Erwartungen wieder etwas herabge-
ſtimmt, und wie wir vollends in dem Hafen Anker warfen und gegen
500 Schiffe ohne allen Verkehr und nur hie und da mit einer menſch-
lichen Geſtalt erblickten, da ergriff mich ein unheimliches Gefühl. Wir
konnten nur einige, jedoch niedliche Häuſer der Stadt erblicken, den
übrigen Theil verbargen uns Hügel.

Am Sonnabend fuhren mehrere Paſſagiere in die Stadt, und kamen
mit großen und fabelhaften Erzählungen an Bord zurück. Ich ſelbſt be-
trat erſt am Sonntag Morgen dieſe Stadt, in welcher ich für längere
Zeit meinen Aufenthalt nehmen und mein Glück, ſo Gott will, zu be-
gründen hoffe. Wenn ich die Benennung Stadt gebrauche, ſo muß ich
dabei bemerken daß dieſelbe wie eine große deutſche Meſſe ausfieht und
meiſt aus bölzernen Buden und Zelten beſteht, mit wenigen einſtöckigen
hölzernen und einer geringen Anzahl altſpaniſcher Häuſer vermiſcht.
Und in dieſer Stadt treiben ſich gegen 50,000 Einwohner von allen Na-
tionen in dem lebendigſten Verkehr herum. Faſt alle Waaren lagern
auf offener Straße, niemand verſperrt die Häuſer, und es herrſcht eine
unglaubliche Sicherheit daſelbſt, weil jedes Vergehen gegen Staat und
Geſetz furchtbar, meiſtens durch Hängen, beſtraft wird. In den vierzehn
Tagen welche ich daſelbſt lebe, wurden ſieben gehenkt.

Mein Eintritt hier war mit großer Noth und Bedrängniß verbun-
den. Ich komme als junger Kaufmann hieher um mein Glück zu machen,
habe mich mit mehreren Freunden, welche einiges Vermögen hatten, zum
gemeinſchaftlichen Etabliſſement verbunden und viele Waaren in Con-
ſtgnation bei mir. Kaum waren wir angelandet, ſo läuft alles von mei-
ner Compagnieſchaft was Geld hatte fort in die Golddiſtricte, und an-
dere Paſſagiere, für deren Solidität ich mein Leben eingeſetzt hätte, folgten
damit meine Waaren ans Land ſchaffen und verzollen, was hier enorme
Koſten macht. Denkt euch meinen verzweiflungsvollen Zuſtand. Ich
wußte mir keinen Rath und Entſchluß zu faſſen, hatte Tag und Nacht
die goldverlockendſten und ſchwindelndſten Träumereien, und war nahe
daran alles im Stich zu laſſen und auch in die Goldminen zu laufen.
Da ſuchte ich Troſt und Ruhe im Gebet, und Gott hat mich erhört und
nicht verlaſſen in meiner Noth, ſondern mir Ruhe und die gewohnte
Sicherheit des Handelns zurückgegeben. Man findet in der ganzen Welt
gute Leute, und ſo habe ich auch hier ein wohlwollendes Haus geſunden
welches meine Waaren aufnahm und mich dadurch vor großem Verluſt
und Koſten bewahrte, denn ein beſonderes Magazin koſtet monatlich 500
bis 800 Dollars. Ich habe Ehre und Credit gewahrt. Es iſt zwar ſehr
verlockend dem gewinnreichen Goldgraben nachzugehen, denn dieſes Me-
tall kommt hier nicht nach Unzen oder Pfunden, ſondern, ohne alle
Uebertreibung, nach Centnern in die Stadt. Mir aber ſchaudert vor den
Flüchen und Verwünſchungen vieler meiner Landsleute, welche reich oder
arm, aber meiſt mit ſiechem Körper aus den Golddiſtricten zurückkehren,
und die Stunde verwünſchen welche fie zu dieſem Unternehmen verleitet hat.
Und dennoch find der glücklichen Beiſpiele ſo viele, daß ſelbſt die beſon-
nenſten Leute verſucht werden ihre Geſundheit dem fabelhaften Gold-
reichthum zu opfern. Es iſt nichts über dieſen Reichthum zu viel geſagt
oder geſchrieben worden, denn das Gold findet ſich in unermeßlichen Di-
ſtricten an allen Ecken und Enden, und in unerſchöpflicher Weiſe. Da-
durch kommt es aber auch daß in der Stadt San Francisco alles enorm
[Spaltenumbruch] theuer iſt, und jede Mühe und Arbeit unerhört bezahlt wird. Wäſche
aller Art wechſelt man nicht, ſondern wirft die gebrauchte weg und kauft
neue, weil das Duzend, gleichviel ob Hemden oder Strümpfe, 6 Dollars
zu waſchen koſtet, wogegen man 1 Duzend ganz gute neue Hemden um
5 bis 6 Dollars und 1 Duzend Socken um 1½ Dollar kauft. Eſſen
und Trinken iſt gut aber theuer, unter einem Dollar iſt nichts zu haben.
Gemüſe gehören zu den Seltenheiten und werden mit Gold aufgewogen,
z. B. ein Kohlkopf, aber lange nicht ſo ſchön wie bei uns, um 3 Dollars
(gleich 7 fl. 8 kr.); 100 Pfund chilefiſche Kartoffeln koften 25 Dollars;
1 Pfund Butter¾ Dollar, 1 Pfund Käſe 1½ Dollars, 1 Flaſche Bier
1 Dollar. Ich habe anfangs mit meinem einzig treugebliebenen Freunde
G. ein amerikaniſches hölzernes Haus, 20 Fuß lang und 12 Fuß breit,
gemiethet, und für dieſes Loch, welches nichts als die nackten Wände
bot, müſſen wir für den Monat 150 Dollars (299 fl.) bezahlen. Möbel
trifft man nur in den Reſtaurationen an, und für eine gute Commode
kann man leicht 100 Dollars bekommen. Die Koſt- und Logishäuſer,
meiſtens im Beſitz von Chineſen, haben an den Seitenwänden Cojen,
wie die Schiffe, und in einem Zimmer wohnen 30 bis 40 Menſchen bei-
ſammen, wofür jeder wöchentlich 12 bis 15 Dollars zu zahlen hat. Von
Handwerkern haben nur Tiſchler und Zimmerleute Arbeit, aber auch
enormen Verdienſt, 8 bis 15 Dollars für den Tag. In der Apotheke
bekommt man unter drei Dollars nichts, und der Gang eines Arztes
wird mit 5 bis 15, ja ſogar mit 40 Dollars bezahlt. *)

Deſſen ungeachtet find Waaren aller Art, und ſelbſt Lurusartikel
im Ueberfluß vorhanden. Wenn ich, ſtatt mit Waaren, mit 10,000 fl.
Capital hier angekommen wäre, ſo wollte ich in einem halben Jahre als
ein reicher Mann zurückkehren.

Das Klima iſt nicht ſehr geſund, weil viele und heftige Winde we-
hen und die Temperatur zu ſehr wechſelt. Bei Sonnenſchein 26 bis 27
Grad Réaumur, während der Regenzeit 18 bis 20 unter Tags, Nachts
oft 10 bis 15 weniger. Man kleidet ſich daher durchgehends warm und
in Wolle. Sommerkleider find nicht zu brauchen. Oefen kennt man hier
nicht, weil das Einheizen kein Bedürfniß iſt.

Um wieder auf die Goldminen zurückzukommen, ſo bemerke ich daß
man mittelſt Dampfſchiffe oder Poſtwagen in 4 bis 5 Tagen dahin be-
quem reiſen kann. Ich bin froh daß ich den alle Fibern aufregenden An-
blick des täglich einkommenden Goldes überwunden habe, und danke
Gott daß er mich in anderer Weiſe glücklich gemacht hat. Es iſt mir
nämlich an mehreren Plätzen der Befitzer der erſten Conditorei nachge-
gangen und hat mir eröffnet daß er beſonderes Vertrauen zu mir habe,
wenn ich eine Stelle als Aufſeher und Buchführer bei ihm annehmen
wollte. Er bot mir Eſſen, Trinken und Quartier frei und für den Monat
125 Dollars. Wenn ich aber mich für die ganze Regenzeit engagiren
wollte, monatlich 200 Dollars (520 fl.). Ich nahm das letztere an, und
werde mir nun während des Winters ſo viel verdienen, um im Frühjahr
mit eigenen Mitteln mein Geſchäft beginnen zu können. Ich habe mich
genau über den Markt unterrichtet, und erhalte täglich Nachricht über
den Stand der Preiſe meiner Waaren, damit ich ſie mit Gelegenheit
vortheilhaft verkaufen kann. Ueber den Gang der Geſchäfte für die
nächſte Zukunft werde ich am 1 December weitere Nachricht geben.

Bezüglich der Lebensweiſe muß ich noch bemerken daß man meiſtens
Fleiſch ißt, deſſen zu vieler Genuß aber nicht geſund iſt, und daß man,
was mir ſehr leid thut, kein friſches Waſſer allein trinken darf ohne eine
Dysſenterie zu riskiren, welche 3 bis 4 Monate dauert und oft das Leben
koſtet. Mir kommt hierbei der mitgebrachte Robert W. ſehr gut zu
ſtatten, von welchem ich eine kleine Quantität beimiſche.

Ich habe nur einen einzigen Wunſch: daß Gott euch und mich recht
geſund und kräftig erhalten möge.



Zur ſüddeutſchen Poſtfrage.

.M. Ihre Blätter bringen aus Frankfurt die Nachricht daß in der
württembergiſch-Taris’ſchen Streitſache an die öſterreichiſchen Bundes-
commiſſarien die Inſtruction ergangen alsbald eine Vermittlung oder die
Einleitung eines ſchiedsrichterlichen Verfahrens zu erwirken. Wir be-
grüßen dieſe Kunde mit Freude, weil wir aus ihr die Hoffnung ſchöpfen
daß dieſer Rechtshandel, bei welchem nicht nur die kämpfenden Parteien,
ſondern auch Oeſterreich, Bayern, Baden und Frankreich ſo weſentlich
betheiligt find, endlich einmal dem allgemeinen Intereſſe entſprechend er-
ledigt werde. Hätten wir einen Wunſch auszuſprechen, ſo wäre es der

*) Ein Dollar beträgt bekanntlich 2 fl. 30 kr. rheiniſch.
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[0009] Beilage zu Nr. 33 der Allg. Zeitung.Sonnabend. 2 Februar 1850. Ueberſicht. Aus dem Goldlande. — Zur ſüddeutſchen Poſtfrage. — Die öſter- reichiſch-deutſche Zolleinigung. — Hannover. (Die Ausſchüſſe und ihre Aufgabe. Die Eiſenbahnen und ihr Anſchluß.) — Aachen. — Actenſtücke in Sachen der mecklenburgiſchen Verfaſſung. — Schleswig-Holſtein. — Perſonalnachrichten. Aus dem Goldlande. (Aus Privatbriefen eines jungen deutſchen Kaufmanns.) * San Francisco, 31 Oct. Nach einer glücklichen und wohl auch ſchnellen Reiſe von fünfzig Tagen kamen wir von Valparaiſo hier an, und fuhren am 12 I. M. in die Bay von San Francisco ein. Wir mußten dieſe Einfahrt vier Tage lang gegen widrige Winde erkämpfen, welche uns immer wieder in die hohe See zurücktrieben. Mehrere Schiffe kamen uns entgegen, und es ſchien uns dieß eine gute Vorbedeutung geregelten Verkehrs zu ſeyn. Als wir jedoch an dem verfallenen Fort vorüberfuhren, welches mit keiner einzigen Kanone ver- ſehen iſt, wurden wenigſtens meine Erwartungen wieder etwas herabge- ſtimmt, und wie wir vollends in dem Hafen Anker warfen und gegen 500 Schiffe ohne allen Verkehr und nur hie und da mit einer menſch- lichen Geſtalt erblickten, da ergriff mich ein unheimliches Gefühl. Wir konnten nur einige, jedoch niedliche Häuſer der Stadt erblicken, den übrigen Theil verbargen uns Hügel. Am Sonnabend fuhren mehrere Paſſagiere in die Stadt, und kamen mit großen und fabelhaften Erzählungen an Bord zurück. Ich ſelbſt be- trat erſt am Sonntag Morgen dieſe Stadt, in welcher ich für längere Zeit meinen Aufenthalt nehmen und mein Glück, ſo Gott will, zu be- gründen hoffe. Wenn ich die Benennung Stadt gebrauche, ſo muß ich dabei bemerken daß dieſelbe wie eine große deutſche Meſſe ausfieht und meiſt aus bölzernen Buden und Zelten beſteht, mit wenigen einſtöckigen hölzernen und einer geringen Anzahl altſpaniſcher Häuſer vermiſcht. Und in dieſer Stadt treiben ſich gegen 50,000 Einwohner von allen Na- tionen in dem lebendigſten Verkehr herum. Faſt alle Waaren lagern auf offener Straße, niemand verſperrt die Häuſer, und es herrſcht eine unglaubliche Sicherheit daſelbſt, weil jedes Vergehen gegen Staat und Geſetz furchtbar, meiſtens durch Hängen, beſtraft wird. In den vierzehn Tagen welche ich daſelbſt lebe, wurden ſieben gehenkt. Mein Eintritt hier war mit großer Noth und Bedrängniß verbun- den. Ich komme als junger Kaufmann hieher um mein Glück zu machen, habe mich mit mehreren Freunden, welche einiges Vermögen hatten, zum gemeinſchaftlichen Etabliſſement verbunden und viele Waaren in Con- ſtgnation bei mir. Kaum waren wir angelandet, ſo läuft alles von mei- ner Compagnieſchaft was Geld hatte fort in die Golddiſtricte, und an- dere Paſſagiere, für deren Solidität ich mein Leben eingeſetzt hätte, folgten damit meine Waaren ans Land ſchaffen und verzollen, was hier enorme Koſten macht. Denkt euch meinen verzweiflungsvollen Zuſtand. Ich wußte mir keinen Rath und Entſchluß zu faſſen, hatte Tag und Nacht die goldverlockendſten und ſchwindelndſten Träumereien, und war nahe daran alles im Stich zu laſſen und auch in die Goldminen zu laufen. Da ſuchte ich Troſt und Ruhe im Gebet, und Gott hat mich erhört und nicht verlaſſen in meiner Noth, ſondern mir Ruhe und die gewohnte Sicherheit des Handelns zurückgegeben. Man findet in der ganzen Welt gute Leute, und ſo habe ich auch hier ein wohlwollendes Haus geſunden welches meine Waaren aufnahm und mich dadurch vor großem Verluſt und Koſten bewahrte, denn ein beſonderes Magazin koſtet monatlich 500 bis 800 Dollars. Ich habe Ehre und Credit gewahrt. Es iſt zwar ſehr verlockend dem gewinnreichen Goldgraben nachzugehen, denn dieſes Me- tall kommt hier nicht nach Unzen oder Pfunden, ſondern, ohne alle Uebertreibung, nach Centnern in die Stadt. Mir aber ſchaudert vor den Flüchen und Verwünſchungen vieler meiner Landsleute, welche reich oder arm, aber meiſt mit ſiechem Körper aus den Golddiſtricten zurückkehren, und die Stunde verwünſchen welche fie zu dieſem Unternehmen verleitet hat. Und dennoch find der glücklichen Beiſpiele ſo viele, daß ſelbſt die beſon- nenſten Leute verſucht werden ihre Geſundheit dem fabelhaften Gold- reichthum zu opfern. Es iſt nichts über dieſen Reichthum zu viel geſagt oder geſchrieben worden, denn das Gold findet ſich in unermeßlichen Di- ſtricten an allen Ecken und Enden, und in unerſchöpflicher Weiſe. Da- durch kommt es aber auch daß in der Stadt San Francisco alles enorm theuer iſt, und jede Mühe und Arbeit unerhört bezahlt wird. Wäſche aller Art wechſelt man nicht, ſondern wirft die gebrauchte weg und kauft neue, weil das Duzend, gleichviel ob Hemden oder Strümpfe, 6 Dollars zu waſchen koſtet, wogegen man 1 Duzend ganz gute neue Hemden um 5 bis 6 Dollars und 1 Duzend Socken um 1½ Dollar kauft. Eſſen und Trinken iſt gut aber theuer, unter einem Dollar iſt nichts zu haben. Gemüſe gehören zu den Seltenheiten und werden mit Gold aufgewogen, z. B. ein Kohlkopf, aber lange nicht ſo ſchön wie bei uns, um 3 Dollars (gleich 7 fl. 8 kr.); 100 Pfund chilefiſche Kartoffeln koften 25 Dollars; 1 Pfund Butter¾ Dollar, 1 Pfund Käſe 1½ Dollars, 1 Flaſche Bier 1 Dollar. Ich habe anfangs mit meinem einzig treugebliebenen Freunde G. ein amerikaniſches hölzernes Haus, 20 Fuß lang und 12 Fuß breit, gemiethet, und für dieſes Loch, welches nichts als die nackten Wände bot, müſſen wir für den Monat 150 Dollars (299 fl.) bezahlen. Möbel trifft man nur in den Reſtaurationen an, und für eine gute Commode kann man leicht 100 Dollars bekommen. Die Koſt- und Logishäuſer, meiſtens im Beſitz von Chineſen, haben an den Seitenwänden Cojen, wie die Schiffe, und in einem Zimmer wohnen 30 bis 40 Menſchen bei- ſammen, wofür jeder wöchentlich 12 bis 15 Dollars zu zahlen hat. Von Handwerkern haben nur Tiſchler und Zimmerleute Arbeit, aber auch enormen Verdienſt, 8 bis 15 Dollars für den Tag. In der Apotheke bekommt man unter drei Dollars nichts, und der Gang eines Arztes wird mit 5 bis 15, ja ſogar mit 40 Dollars bezahlt. *) Deſſen ungeachtet find Waaren aller Art, und ſelbſt Lurusartikel im Ueberfluß vorhanden. Wenn ich, ſtatt mit Waaren, mit 10,000 fl. Capital hier angekommen wäre, ſo wollte ich in einem halben Jahre als ein reicher Mann zurückkehren. Das Klima iſt nicht ſehr geſund, weil viele und heftige Winde we- hen und die Temperatur zu ſehr wechſelt. Bei Sonnenſchein 26 bis 27 Grad Réaumur, während der Regenzeit 18 bis 20 unter Tags, Nachts oft 10 bis 15 weniger. Man kleidet ſich daher durchgehends warm und in Wolle. Sommerkleider find nicht zu brauchen. Oefen kennt man hier nicht, weil das Einheizen kein Bedürfniß iſt. Um wieder auf die Goldminen zurückzukommen, ſo bemerke ich daß man mittelſt Dampfſchiffe oder Poſtwagen in 4 bis 5 Tagen dahin be- quem reiſen kann. Ich bin froh daß ich den alle Fibern aufregenden An- blick des täglich einkommenden Goldes überwunden habe, und danke Gott daß er mich in anderer Weiſe glücklich gemacht hat. Es iſt mir nämlich an mehreren Plätzen der Befitzer der erſten Conditorei nachge- gangen und hat mir eröffnet daß er beſonderes Vertrauen zu mir habe, wenn ich eine Stelle als Aufſeher und Buchführer bei ihm annehmen wollte. Er bot mir Eſſen, Trinken und Quartier frei und für den Monat 125 Dollars. Wenn ich aber mich für die ganze Regenzeit engagiren wollte, monatlich 200 Dollars (520 fl.). Ich nahm das letztere an, und werde mir nun während des Winters ſo viel verdienen, um im Frühjahr mit eigenen Mitteln mein Geſchäft beginnen zu können. Ich habe mich genau über den Markt unterrichtet, und erhalte täglich Nachricht über den Stand der Preiſe meiner Waaren, damit ich ſie mit Gelegenheit vortheilhaft verkaufen kann. Ueber den Gang der Geſchäfte für die nächſte Zukunft werde ich am 1 December weitere Nachricht geben. Bezüglich der Lebensweiſe muß ich noch bemerken daß man meiſtens Fleiſch ißt, deſſen zu vieler Genuß aber nicht geſund iſt, und daß man, was mir ſehr leid thut, kein friſches Waſſer allein trinken darf ohne eine Dysſenterie zu riskiren, welche 3 bis 4 Monate dauert und oft das Leben koſtet. Mir kommt hierbei der mitgebrachte Robert W. ſehr gut zu ſtatten, von welchem ich eine kleine Quantität beimiſche. Ich habe nur einen einzigen Wunſch: daß Gott euch und mich recht geſund und kräftig erhalten möge. Zur ſüddeutſchen Poſtfrage. .M. Ihre Blätter bringen aus Frankfurt die Nachricht daß in der württembergiſch-Taris’ſchen Streitſache an die öſterreichiſchen Bundes- commiſſarien die Inſtruction ergangen alsbald eine Vermittlung oder die Einleitung eines ſchiedsrichterlichen Verfahrens zu erwirken. Wir be- grüßen dieſe Kunde mit Freude, weil wir aus ihr die Hoffnung ſchöpfen daß dieſer Rechtshandel, bei welchem nicht nur die kämpfenden Parteien, ſondern auch Oeſterreich, Bayern, Baden und Frankreich ſo weſentlich betheiligt find, endlich einmal dem allgemeinen Intereſſe entſprechend er- ledigt werde. Hätten wir einen Wunſch auszuſprechen, ſo wäre es der *) Ein Dollar beträgt bekanntlich 2 fl. 30 kr. rheiniſch.

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2021-08-16T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 33, 2. Februar 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine33_1850/9>, abgerufen am 31.10.2024.