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Allgemeine Zeitung, Nr. 34, 22. August 1914.

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22. August 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch] seiner Umgebung in die Wage legen dürfen. Wahrscheinlich wäre
es bei längerer Regierung sogar zum Bruch mit dem von ihm zum
Staatssekretär und Kardinal ernannten Merry del Val gekommen.
Wie wuchtig die Hand des Papstes auch auf diesem intransigenten,
aber feinen und bedächtigen Spanier, dem Sohn eines Botschafters,
lag, erwies sich in dem wider Merry del Vals Wunsch erfolgten,
mit der Grundfrage des Papstansehens eng verknüpften Schlage
gegen die italienischen katholischen Blätter. Sie, die in allem ge-
horsam waren, hatten nur den einen Wunsch abweichend von der
Kurie: in Italien die katholischen Abgeordneten und Wähler zu
einer ähnlich katholischen Partei wie das deutsche Zentrum zu ver-
einen.

Den Fernstehenden wird es anmuten, als ob Pius dadurch
unnötig ein gutes Schwert zerbrechen wollte. Und er selbst hat
sich wenigstens etwas Einhalt geboten, denn er ist nicht wie beim
Modernismus bis zum Aeußersten, der Ausstoßung aus der Kirche
für die so gerichteten italienischen Politiker gegangen. Er hoffte
wohl am Schluß in seiner zunehmenden Körperschwäche auf ein
Nachgeben der Gläubigen, sah er doch wie einer der Rührigsten von
den Betroffenen, der Principe Lancelotti, in tragischem Konflikt
sein Lebenswerk, wenn auch tief gegen den Vatikan verbittert,
selbst vernichtete. Nicht einmal der glänzende Erfolg, den die
Katholiken Italiens unter Führung des Conte Gentiglioni 1913
bei den ersten allgemeinen Wahlen errangen, nachdem sie
200 Bischöfe zur Aufhebung des non expedit veranlaßt hatten,
hinderte den Vatikan, sich nachträglich aufs deutlichste gegen diese
Politiker Stellung zu nehmen. Trotzdem wird niemand, der in den
Geist dieses Papstes und damit in die eiserne Logik der katholischen
Kirchenentwicklung eingedrungen ist, leugnen, daß Sarto, sonderlich
in den allein auf ihn zurückgehenden Aeußerungen seiner Privat-
kanzlei gegenüber der Bedächtigkeit des Staatskanzlers und der un-
gebrochenen Hoffnung italienisch-katholischer Politiker etwas anders
als das einzig Mögliche getan und gefordert hat. Er wählte sogar
eine populärere Ausdrucksweise dafür als sonst, um zu zeigen, was
die absolute Autorität des Papsttums in seiner Verpflichtung gegen-
über der ganzen Welt verlangte. Denn eine italienische politische
Partei, die nicht wie die von Pius aufs schärfste verurteilte sozial-
demokratische, staatsfeindlich sein kann, muß unbedingt national sein.
Und diese nationale Richtung gipfelt in der Frage um Rom. Ist aber
schon ein nationales Italien ohne Rom schwer denkbar, so ist ein
Papsttum undenkbar, das trotz seines Anspruches, als Vertreter des
Königs der Könige über allen Fürsten zu stehen, nicht einmal auf
Rom und den Kirchenstaat mehr Anspruch erhöbe oder sich von einem
nie anerkannten Staate wie Italien, als wäre der gleichberechtigt, zum
geschäftlichen Paktieren herabziehen ließe. Dem international stel-
genden Ansehen, das das Papsttum genießen muß, um sich in seinen
Vikariatsideen durchzusetzen (ein Ansehen, dem die Unmöglichkeit
selbst kleinster Verwirklichung das Mitgefühl bei vielen vorteilhaft
steigert), diesem Weltfaktor mußte, selbst von einem durch und durch
venezianisch und bei unverfänglichen Fragen italienisch empfinden-
den Papste wie Pius X. die Bildung einer italienischen Zentrums-
partei geopfert werden. Non expedit.

Auch dabei war Pius kein Eröffner neuer Bahnen, sondern
nur ein von festem Schritt nicht abzubringender Wanderer auf alten.

Es fehlt hier leider an Raum, um auf Einzelheiten einzugehen
und selbst nur die charakteristischsten Aussprüche Sartos als Beleg
zu bringen. Aber das Gesagte wird genügen, um die Bedeutung
zu zeigen, die diese langjährige Regierung der Kirche in einer Zeit
wie der unsern hat. Selbst wenn der willentlich heraufbeschworene
Abfall und die Austreibung so und so vieler Katholiken nicht
numerisch durch den Gewinn vieler anderer, sonderlich in Amerika,
wieder ausgeglichen worden wäre, mußte die Wirksamkeit Pius X.
zur Verstärkung der Dißiplin und zur Sicherung seiner über-
zeugten Bekenner, also zur kontrollierbaren Organisation der Welt-
macht nutzbringend beitragen.

Daß dies mit ungeschminkter Wahrhaftigkeit erstrebt wurde,
wird das Bild dieses Papstes für alle Menschen wertvoll machen,
wenngleich die Erkenntnis, daß dies nur im gewollten und streng-
sten Kampfe gegen alles moderne Denken der Welt möglich war,
zahllose wie eine erstarrende Unfaßlichkeit anmuten mag.

Der uralte Gegensatz jeder Kirche und sonderlich der hierarchisch
gesteigerten gegen die Welt, hat in dem angeblich gutmütig unbe-
deutenden Venezianer Sarto grandiose Formen angenommen, und er
hat alles getan, um die Wirkung seiner Tage nicht mit seiner
Sterbestunde enden zu lassen. Und so sei, wenn wir schon auf alles
biographische Beiwerk verzichten, noch eines erwähnt, denn es fügt
[Spaltenumbruch] sich als Schlußstein in das Lebenswerk des 80jährigen. Es ist die
Regelung der priesterlichen Ausbildung zu einem ähnlichen Werde-
gang wie Sarto ihn selbst beispielmäßig durchgemacht hat. In zahl-
reichen Vorschlägen und Bestimmungen hat Sarto von seiner
Seminarzeit bis in die letzten Monde seines Pontifikates, sonderlich
für die italienischen Kleriker auf dies Ziel hingearbeitet. Um jeden
Laieneinfluß von der heranwachsenden Priesterkaste fern zu halten,
wünscht Pius, daß die geistlichen Lehrer allen vom Staate mög-
licherweise gestellten wissenschaftlichen Ansprüchen genügen, und for-
dert, daß die jungen Seminaristen und Priester in all ihrer Aus-
bildungszeit dem Hause und damit der Welt möglichst fern gehalten
werden; ja selbst den jährlichen 14tägigen Urlaub zu den Eltern
dürfe man nur mit Vorsicht gewähren und solle ihn lieber ganz
unterdrücken.

Die einseitige Stärke dessen, der die umfassendsten Ansprüche
auf Leitung der Welt durch Absonderung und Feindschaft gegen
die Weltkraft vermittels autoritativ festgelegter und erlernter Welt-
erfahrung oder Offenbarung erkämpfen will, ist von dem starken
venezianischen Bauernsohn Giuseppe Sarto in seiner ganzen kirch-
lichen und päpstlichen Laufbahn mustergültig erwiesen worden; sie
kann wohl nachgeahmt, schwerlich überboten werden.

Rom.



Nach Schluß des Blattes eingetroffen:
Deutsche Siege in Lothringen.

Unter Führung S. K. H. des Kronprinzen von
Bayern
haben Truppen aller Deutschen Stämme gestern
in Schlachten zwischen Metz und den Vogesen einen Sieg
erkämpft. Der mit starken Kräften in Lothringen vordrin-
gende Feind wurde auf der ganzen Linie unter schweren
Verlusten geworfen und ihm viele tausende Gefangene und
zahlreiche Geschütze abgenommen. Der Gesamterfolg läßt
sich noch nicht übersehen, da das Schlachtfeld einen größeren
Rahmen einnimmt, als in den Kämpfen 1870/71 unsere ge-
samte Armee in Anspruch nahm. Ansere Truppen, beseelt
von unaufhaltsamen Drang nach vorwärts, folgen dem
Feind und setzen den Kampf noch fort.
W. T. B.



Gebet.
Da draußen -- wer weiß, auf welchem Feld --
Kriegslärm und Schlachtgetöne.
Ich knie vor dir, du Herr der Welt,
Und bete für Deutschlands Söhne.
Es steigt aus der Brust ein lodernder Brand
Zum Himmel empor aufs neue;
Leg', du Allmächtiger, deine Hand
Schützend auf Deutschlands Getreue!
Schon lange hielt man die Dolche gezückt,
Um deutsche Erfolge zu kürzen.
Uns wurde das Schwert in die Hand gedrückt.
Nun hilf uns, die Feinde zu stürzen;
Nun hilf uns, du großer, allmächtiger Gott
In dieser entscheidenden Stunde,
Daß uns der Feinde hämischer Spott
Nicht immer aufs neue verwunde! ...
Da draußen -- wer weiß, auf welchem Feld --
Kriegslärm und Schlachtgetöne.
Ich knie vor dir, du Herr der Welt,
Und bete für Deutschlands Söhne.


22. Auguſt 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch] ſeiner Umgebung in die Wage legen dürfen. Wahrſcheinlich wäre
es bei längerer Regierung ſogar zum Bruch mit dem von ihm zum
Staatsſekretär und Kardinal ernannten Merry del Val gekommen.
Wie wuchtig die Hand des Papſtes auch auf dieſem intranſigenten,
aber feinen und bedächtigen Spanier, dem Sohn eines Botſchafters,
lag, erwies ſich in dem wider Merry del Vals Wunſch erfolgten,
mit der Grundfrage des Papſtanſehens eng verknüpften Schlage
gegen die italieniſchen katholiſchen Blätter. Sie, die in allem ge-
horſam waren, hatten nur den einen Wunſch abweichend von der
Kurie: in Italien die katholiſchen Abgeordneten und Wähler zu
einer ähnlich katholiſchen Partei wie das deutſche Zentrum zu ver-
einen.

Den Fernſtehenden wird es anmuten, als ob Pius dadurch
unnötig ein gutes Schwert zerbrechen wollte. Und er ſelbſt hat
ſich wenigſtens etwas Einhalt geboten, denn er iſt nicht wie beim
Modernismus bis zum Aeußerſten, der Ausſtoßung aus der Kirche
für die ſo gerichteten italieniſchen Politiker gegangen. Er hoffte
wohl am Schluß in ſeiner zunehmenden Körperſchwäche auf ein
Nachgeben der Gläubigen, ſah er doch wie einer der Rührigſten von
den Betroffenen, der Principe Lancelotti, in tragiſchem Konflikt
ſein Lebenswerk, wenn auch tief gegen den Vatikan verbittert,
ſelbſt vernichtete. Nicht einmal der glänzende Erfolg, den die
Katholiken Italiens unter Führung des Conte Gentiglioni 1913
bei den erſten allgemeinen Wahlen errangen, nachdem ſie
200 Biſchöfe zur Aufhebung des non expedit veranlaßt hatten,
hinderte den Vatikan, ſich nachträglich aufs deutlichſte gegen dieſe
Politiker Stellung zu nehmen. Trotzdem wird niemand, der in den
Geiſt dieſes Papſtes und damit in die eiſerne Logik der katholiſchen
Kirchenentwicklung eingedrungen iſt, leugnen, daß Sarto, ſonderlich
in den allein auf ihn zurückgehenden Aeußerungen ſeiner Privat-
kanzlei gegenüber der Bedächtigkeit des Staatskanzlers und der un-
gebrochenen Hoffnung italieniſch-katholiſcher Politiker etwas anders
als das einzig Mögliche getan und gefordert hat. Er wählte ſogar
eine populärere Ausdrucksweiſe dafür als ſonſt, um zu zeigen, was
die abſolute Autorität des Papſttums in ſeiner Verpflichtung gegen-
über der ganzen Welt verlangte. Denn eine italieniſche politiſche
Partei, die nicht wie die von Pius aufs ſchärfſte verurteilte ſozial-
demokratiſche, ſtaatsfeindlich ſein kann, muß unbedingt national ſein.
Und dieſe nationale Richtung gipfelt in der Frage um Rom. Iſt aber
ſchon ein nationales Italien ohne Rom ſchwer denkbar, ſo iſt ein
Papſttum undenkbar, das trotz ſeines Anſpruches, als Vertreter des
Königs der Könige über allen Fürſten zu ſtehen, nicht einmal auf
Rom und den Kirchenſtaat mehr Anſpruch erhöbe oder ſich von einem
nie anerkannten Staate wie Italien, als wäre der gleichberechtigt, zum
geſchäftlichen Paktieren herabziehen ließe. Dem international ſtel-
genden Anſehen, das das Papſttum genießen muß, um ſich in ſeinen
Vikariatsideen durchzuſetzen (ein Anſehen, dem die Unmöglichkeit
ſelbſt kleinſter Verwirklichung das Mitgefühl bei vielen vorteilhaft
ſteigert), dieſem Weltfaktor mußte, ſelbſt von einem durch und durch
venezianiſch und bei unverfänglichen Fragen italieniſch empfinden-
den Papſte wie Pius X. die Bildung einer italieniſchen Zentrums-
partei geopfert werden. Non expedit.

Auch dabei war Pius kein Eröffner neuer Bahnen, ſondern
nur ein von feſtem Schritt nicht abzubringender Wanderer auf alten.

Es fehlt hier leider an Raum, um auf Einzelheiten einzugehen
und ſelbſt nur die charakteriſtiſchſten Ausſprüche Sartos als Beleg
zu bringen. Aber das Geſagte wird genügen, um die Bedeutung
zu zeigen, die dieſe langjährige Regierung der Kirche in einer Zeit
wie der unſern hat. Selbſt wenn der willentlich heraufbeſchworene
Abfall und die Austreibung ſo und ſo vieler Katholiken nicht
numeriſch durch den Gewinn vieler anderer, ſonderlich in Amerika,
wieder ausgeglichen worden wäre, mußte die Wirkſamkeit Pius X.
zur Verſtärkung der Diſziplin und zur Sicherung ſeiner über-
zeugten Bekenner, alſo zur kontrollierbaren Organiſation der Welt-
macht nutzbringend beitragen.

Daß dies mit ungeſchminkter Wahrhaftigkeit erſtrebt wurde,
wird das Bild dieſes Papſtes für alle Menſchen wertvoll machen,
wenngleich die Erkenntnis, daß dies nur im gewollten und ſtreng-
ſten Kampfe gegen alles moderne Denken der Welt möglich war,
zahlloſe wie eine erſtarrende Unfaßlichkeit anmuten mag.

Der uralte Gegenſatz jeder Kirche und ſonderlich der hierarchiſch
geſteigerten gegen die Welt, hat in dem angeblich gutmütig unbe-
deutenden Venezianer Sarto grandioſe Formen angenommen, und er
hat alles getan, um die Wirkung ſeiner Tage nicht mit ſeiner
Sterbeſtunde enden zu laſſen. Und ſo ſei, wenn wir ſchon auf alles
biographiſche Beiwerk verzichten, noch eines erwähnt, denn es fügt
[Spaltenumbruch] ſich als Schlußſtein in das Lebenswerk des 80jährigen. Es iſt die
Regelung der prieſterlichen Ausbildung zu einem ähnlichen Werde-
gang wie Sarto ihn ſelbſt beiſpielmäßig durchgemacht hat. In zahl-
reichen Vorſchlägen und Beſtimmungen hat Sarto von ſeiner
Seminarzeit bis in die letzten Monde ſeines Pontifikates, ſonderlich
für die italieniſchen Kleriker auf dies Ziel hingearbeitet. Um jeden
Laieneinfluß von der heranwachſenden Prieſterkaſte fern zu halten,
wünſcht Pius, daß die geiſtlichen Lehrer allen vom Staate mög-
licherweiſe geſtellten wiſſenſchaftlichen Anſprüchen genügen, und for-
dert, daß die jungen Seminariſten und Prieſter in all ihrer Aus-
bildungszeit dem Hauſe und damit der Welt möglichſt fern gehalten
werden; ja ſelbſt den jährlichen 14tägigen Urlaub zu den Eltern
dürfe man nur mit Vorſicht gewähren und ſolle ihn lieber ganz
unterdrücken.

Die einſeitige Stärke deſſen, der die umfaſſendſten Anſprüche
auf Leitung der Welt durch Abſonderung und Feindſchaft gegen
die Weltkraft vermittels autoritativ feſtgelegter und erlernter Welt-
erfahrung oder Offenbarung erkämpfen will, iſt von dem ſtarken
venezianiſchen Bauernſohn Giuſeppe Sarto in ſeiner ganzen kirch-
lichen und päpſtlichen Laufbahn muſtergültig erwieſen worden; ſie
kann wohl nachgeahmt, ſchwerlich überboten werden.

Rom.



Nach Schluß des Blattes eingetroffen:
Deutſche Siege in Lothringen.

Unter Führung S. K. H. des Kronprinzen von
Bayern
haben Truppen aller Deutſchen Stämme geſtern
in Schlachten zwiſchen Metz und den Vogeſen einen Sieg
erkämpft. Der mit ſtarken Kräften in Lothringen vordrin-
gende Feind wurde auf der ganzen Linie unter ſchweren
Verluſten geworfen und ihm viele tauſende Gefangene und
zahlreiche Geſchütze abgenommen. Der Geſamterfolg läßt
ſich noch nicht überſehen, da das Schlachtfeld einen größeren
Rahmen einnimmt, als in den Kämpfen 1870/71 unſere ge-
ſamte Armee in Anſpruch nahm. Anſere Truppen, beſeelt
von unaufhaltſamen Drang nach vorwärts, folgen dem
Feind und ſetzen den Kampf noch fort.
W. T. B.



Gebet.
Da draußen — wer weiß, auf welchem Feld —
Kriegslärm und Schlachtgetöne.
Ich knie vor dir, du Herr der Welt,
Und bete für Deutſchlands Söhne.
Es ſteigt aus der Bruſt ein lodernder Brand
Zum Himmel empor aufs neue;
Leg’, du Allmächtiger, deine Hand
Schützend auf Deutſchlands Getreue!
Schon lange hielt man die Dolche gezückt,
Um deutſche Erfolge zu kürzen.
Uns wurde das Schwert in die Hand gedrückt.
Nun hilf uns, die Feinde zu ſtürzen;
Nun hilf uns, du großer, allmächtiger Gott
In dieſer entſcheidenden Stunde,
Daß uns der Feinde hämiſcher Spott
Nicht immer aufs neue verwunde! ...
Da draußen — wer weiß, auf welchem Feld —
Kriegslärm und Schlachtgetöne.
Ich knie vor dir, du Herr der Welt,
Und bete für Deutſchlands Söhne.


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[525/0011] 22. Auguſt 1914. Allgemeine Zeitung ſeiner Umgebung in die Wage legen dürfen. Wahrſcheinlich wäre es bei längerer Regierung ſogar zum Bruch mit dem von ihm zum Staatsſekretär und Kardinal ernannten Merry del Val gekommen. Wie wuchtig die Hand des Papſtes auch auf dieſem intranſigenten, aber feinen und bedächtigen Spanier, dem Sohn eines Botſchafters, lag, erwies ſich in dem wider Merry del Vals Wunſch erfolgten, mit der Grundfrage des Papſtanſehens eng verknüpften Schlage gegen die italieniſchen katholiſchen Blätter. Sie, die in allem ge- horſam waren, hatten nur den einen Wunſch abweichend von der Kurie: in Italien die katholiſchen Abgeordneten und Wähler zu einer ähnlich katholiſchen Partei wie das deutſche Zentrum zu ver- einen. Den Fernſtehenden wird es anmuten, als ob Pius dadurch unnötig ein gutes Schwert zerbrechen wollte. Und er ſelbſt hat ſich wenigſtens etwas Einhalt geboten, denn er iſt nicht wie beim Modernismus bis zum Aeußerſten, der Ausſtoßung aus der Kirche für die ſo gerichteten italieniſchen Politiker gegangen. Er hoffte wohl am Schluß in ſeiner zunehmenden Körperſchwäche auf ein Nachgeben der Gläubigen, ſah er doch wie einer der Rührigſten von den Betroffenen, der Principe Lancelotti, in tragiſchem Konflikt ſein Lebenswerk, wenn auch tief gegen den Vatikan verbittert, ſelbſt vernichtete. Nicht einmal der glänzende Erfolg, den die Katholiken Italiens unter Führung des Conte Gentiglioni 1913 bei den erſten allgemeinen Wahlen errangen, nachdem ſie 200 Biſchöfe zur Aufhebung des non expedit veranlaßt hatten, hinderte den Vatikan, ſich nachträglich aufs deutlichſte gegen dieſe Politiker Stellung zu nehmen. Trotzdem wird niemand, der in den Geiſt dieſes Papſtes und damit in die eiſerne Logik der katholiſchen Kirchenentwicklung eingedrungen iſt, leugnen, daß Sarto, ſonderlich in den allein auf ihn zurückgehenden Aeußerungen ſeiner Privat- kanzlei gegenüber der Bedächtigkeit des Staatskanzlers und der un- gebrochenen Hoffnung italieniſch-katholiſcher Politiker etwas anders als das einzig Mögliche getan und gefordert hat. Er wählte ſogar eine populärere Ausdrucksweiſe dafür als ſonſt, um zu zeigen, was die abſolute Autorität des Papſttums in ſeiner Verpflichtung gegen- über der ganzen Welt verlangte. Denn eine italieniſche politiſche Partei, die nicht wie die von Pius aufs ſchärfſte verurteilte ſozial- demokratiſche, ſtaatsfeindlich ſein kann, muß unbedingt national ſein. Und dieſe nationale Richtung gipfelt in der Frage um Rom. Iſt aber ſchon ein nationales Italien ohne Rom ſchwer denkbar, ſo iſt ein Papſttum undenkbar, das trotz ſeines Anſpruches, als Vertreter des Königs der Könige über allen Fürſten zu ſtehen, nicht einmal auf Rom und den Kirchenſtaat mehr Anſpruch erhöbe oder ſich von einem nie anerkannten Staate wie Italien, als wäre der gleichberechtigt, zum geſchäftlichen Paktieren herabziehen ließe. Dem international ſtel- genden Anſehen, das das Papſttum genießen muß, um ſich in ſeinen Vikariatsideen durchzuſetzen (ein Anſehen, dem die Unmöglichkeit ſelbſt kleinſter Verwirklichung das Mitgefühl bei vielen vorteilhaft ſteigert), dieſem Weltfaktor mußte, ſelbſt von einem durch und durch venezianiſch und bei unverfänglichen Fragen italieniſch empfinden- den Papſte wie Pius X. die Bildung einer italieniſchen Zentrums- partei geopfert werden. Non expedit. Auch dabei war Pius kein Eröffner neuer Bahnen, ſondern nur ein von feſtem Schritt nicht abzubringender Wanderer auf alten. Es fehlt hier leider an Raum, um auf Einzelheiten einzugehen und ſelbſt nur die charakteriſtiſchſten Ausſprüche Sartos als Beleg zu bringen. Aber das Geſagte wird genügen, um die Bedeutung zu zeigen, die dieſe langjährige Regierung der Kirche in einer Zeit wie der unſern hat. Selbſt wenn der willentlich heraufbeſchworene Abfall und die Austreibung ſo und ſo vieler Katholiken nicht numeriſch durch den Gewinn vieler anderer, ſonderlich in Amerika, wieder ausgeglichen worden wäre, mußte die Wirkſamkeit Pius X. zur Verſtärkung der Diſziplin und zur Sicherung ſeiner über- zeugten Bekenner, alſo zur kontrollierbaren Organiſation der Welt- macht nutzbringend beitragen. Daß dies mit ungeſchminkter Wahrhaftigkeit erſtrebt wurde, wird das Bild dieſes Papſtes für alle Menſchen wertvoll machen, wenngleich die Erkenntnis, daß dies nur im gewollten und ſtreng- ſten Kampfe gegen alles moderne Denken der Welt möglich war, zahlloſe wie eine erſtarrende Unfaßlichkeit anmuten mag. Der uralte Gegenſatz jeder Kirche und ſonderlich der hierarchiſch geſteigerten gegen die Welt, hat in dem angeblich gutmütig unbe- deutenden Venezianer Sarto grandioſe Formen angenommen, und er hat alles getan, um die Wirkung ſeiner Tage nicht mit ſeiner Sterbeſtunde enden zu laſſen. Und ſo ſei, wenn wir ſchon auf alles biographiſche Beiwerk verzichten, noch eines erwähnt, denn es fügt ſich als Schlußſtein in das Lebenswerk des 80jährigen. Es iſt die Regelung der prieſterlichen Ausbildung zu einem ähnlichen Werde- gang wie Sarto ihn ſelbſt beiſpielmäßig durchgemacht hat. In zahl- reichen Vorſchlägen und Beſtimmungen hat Sarto von ſeiner Seminarzeit bis in die letzten Monde ſeines Pontifikates, ſonderlich für die italieniſchen Kleriker auf dies Ziel hingearbeitet. Um jeden Laieneinfluß von der heranwachſenden Prieſterkaſte fern zu halten, wünſcht Pius, daß die geiſtlichen Lehrer allen vom Staate mög- licherweiſe geſtellten wiſſenſchaftlichen Anſprüchen genügen, und for- dert, daß die jungen Seminariſten und Prieſter in all ihrer Aus- bildungszeit dem Hauſe und damit der Welt möglichſt fern gehalten werden; ja ſelbſt den jährlichen 14tägigen Urlaub zu den Eltern dürfe man nur mit Vorſicht gewähren und ſolle ihn lieber ganz unterdrücken. Die einſeitige Stärke deſſen, der die umfaſſendſten Anſprüche auf Leitung der Welt durch Abſonderung und Feindſchaft gegen die Weltkraft vermittels autoritativ feſtgelegter und erlernter Welt- erfahrung oder Offenbarung erkämpfen will, iſt von dem ſtarken venezianiſchen Bauernſohn Giuſeppe Sarto in ſeiner ganzen kirch- lichen und päpſtlichen Laufbahn muſtergültig erwieſen worden; ſie kann wohl nachgeahmt, ſchwerlich überboten werden. Rom. Dr. Otto Helmut Hopfen. Nach Schluß des Blattes eingetroffen: Deutſche Siege in Lothringen. Unter Führung S. K. H. des Kronprinzen von Bayern haben Truppen aller Deutſchen Stämme geſtern in Schlachten zwiſchen Metz und den Vogeſen einen Sieg erkämpft. Der mit ſtarken Kräften in Lothringen vordrin- gende Feind wurde auf der ganzen Linie unter ſchweren Verluſten geworfen und ihm viele tauſende Gefangene und zahlreiche Geſchütze abgenommen. Der Geſamterfolg läßt ſich noch nicht überſehen, da das Schlachtfeld einen größeren Rahmen einnimmt, als in den Kämpfen 1870/71 unſere ge- ſamte Armee in Anſpruch nahm. Anſere Truppen, beſeelt von unaufhaltſamen Drang nach vorwärts, folgen dem Feind und ſetzen den Kampf noch fort. W. T. B. Gebet. Von Otto Promber, Dresden-Laubegaſt. Da draußen — wer weiß, auf welchem Feld — Kriegslärm und Schlachtgetöne. Ich knie vor dir, du Herr der Welt, Und bete für Deutſchlands Söhne. Es ſteigt aus der Bruſt ein lodernder Brand Zum Himmel empor aufs neue; Leg’, du Allmächtiger, deine Hand Schützend auf Deutſchlands Getreue! Schon lange hielt man die Dolche gezückt, Um deutſche Erfolge zu kürzen. Uns wurde das Schwert in die Hand gedrückt. Nun hilf uns, die Feinde zu ſtürzen; Nun hilf uns, du großer, allmächtiger Gott In dieſer entſcheidenden Stunde, Daß uns der Feinde hämiſcher Spott Nicht immer aufs neue verwunde! ... Da draußen — wer weiß, auf welchem Feld — Kriegslärm und Schlachtgetöne. Ich knie vor dir, du Herr der Welt, Und bete für Deutſchlands Söhne.

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Christopher Georgi, Susanne Haaf, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 34, 22. August 1914, S. 525. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine34_1914/11>, abgerufen am 01.11.2024.