Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

do ist zum Ende, es gilt unter uns dreyen einer so viel
als der andere, die meisten Stimmen gelten, die Vi-
ctuali
en und andern Sachen sind gemeinschafftlich,
will der 3te nicht was 2. haben wollen, so mag er elen-
diglich crepiren. Schweiget mir auch ja von See-
Räubern stille, sonsten werde mich genöthiget se-
hen zu zeigen, daß ich ein Cavalier bin, der das Her-
tze hat euch das Maul zu wischen. Lemelie wolte
über diese Reden rasend werden, und augenblicklich
vom Leder ziehen, doch van Leuven ließ ihn hierzu
nicht kommen, sondern riß den Großprahler als ein
Kind zu Boden, und ließ ihm mit der vollen Faust
auf Nase und Maule ziemlich starck zur Ader. Nun-
mehro hatte es das Ansehen, als ob es dem Lemelie
bloß hieran gefehlet hätte, weil er in wenig Minnten
wieder zu seinem völligen Verstande kam, sich mit
uns, dem Scheine nach, recht brüderlich vertrug, und
seine Hände mit an die Arbeit legte; so daß wir noch
vor Nachts wohl beladen bey Concordien in der
neuen Felsen-Wohnung anlangeten. Wir bereite-
ten vor uns ingesämmt eine gute Abend-Mahlzeit,
und rechneten aus, daß wenigstens auf 14. Tage Pro-
viant
vor 4. Personen vorhanden sey, binnen wel-
cher Zeit uns die Hoffnung trösten muste, daß der
Himmel doch ein Schiff in diese Gegend, uns in ein
gut Land zu führen, senden würde.

Concordia hatte sich diesen gantzen Tag, wie
auch die darauf folgende Nacht sehr wohl befunden,
folgenden Tag aber, wurde sie abermahls vom star-
cken Frost und daraus folgender Hitze überfallen,
worbey sie starck phantasirte, doch gegen Abend

ward-
K 3

do iſt zum Ende, es gilt unter uns dreyen einer ſo viel
als der andere, die meiſten Stimmen gelten, die Vi-
ctuali
en und andern Sachen ſind gemeinſchafftlich,
will der 3te nicht was 2. haben wollen, ſo mag er elen-
diglich crepiren. Schweiget mir auch ja von See-
Raͤubern ſtille, ſonſten werde mich genoͤthiget ſe-
hen zu zeigen, daß ich ein Cavalier bin, der das Her-
tze hat euch das Maul zu wiſchen. Lemelie wolte
uͤber dieſe Reden raſend werden, und augenblicklich
vom Leder ziehen, doch van Leuven ließ ihn hierzu
nicht kommen, ſondern riß den Großprahler als ein
Kind zu Boden, und ließ ihm mit der vollen Fauſt
auf Naſe und Maule ziemlich ſtarck zur Ader. Nun-
mehro hatte es das Anſehen, als ob es dem Lemelie
bloß hieran gefehlet haͤtte, weil er in wenig Minnten
wieder zu ſeinem voͤlligen Verſtande kam, ſich mit
uns, dem Scheine nach, recht bruͤderlich vertrug, und
ſeine Haͤnde mit an die Arbeit legte; ſo daß wir noch
vor Nachts wohl beladen bey Concordien in der
neuen Felſen-Wohnung anlangeten. Wir bereite-
ten vor uns ingeſaͤmmt eine gute Abend-Mahlzeit,
und rechneten aus, daß wenigſtens auf 14. Tage Pro-
viant
vor 4. Perſonen vorhanden ſey, binnen wel-
cher Zeit uns die Hoffnung troͤſten muſte, daß der
Himmel doch ein Schiff in dieſe Gegend, uns in ein
gut Land zu fuͤhren, ſenden wuͤrde.

Concordia hatte ſich dieſen gantzen Tag, wie
auch die darauf folgende Nacht ſehr wohl befunden,
folgenden Tag aber, wurde ſie abermahls vom ſtar-
cken Froſt und darauſ folgender Hitze uͤberfallen,
worbey ſie ſtarck phantaſirte, doch gegen Abend

ward-
K 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0163" n="149"/><hi rendition="#aq">do</hi> i&#x017F;t zum Ende, es gilt unter uns dreyen einer &#x017F;o viel<lb/>
als der andere, die mei&#x017F;ten Stimmen gelten, die <hi rendition="#aq">Vi-<lb/>
ctuali</hi>en und andern Sachen &#x017F;ind gemein&#x017F;chafftlich,<lb/>
will der 3te nicht was 2. haben wollen, &#x017F;o mag er elen-<lb/>
diglich <hi rendition="#aq">crepir</hi>en. Schweiget mir auch ja von See-<lb/>
Ra&#x0364;ubern &#x017F;tille, &#x017F;on&#x017F;ten werde mich geno&#x0364;thiget &#x017F;e-<lb/>
hen zu zeigen, daß ich ein <hi rendition="#aq">Cavalier</hi> bin, der das Her-<lb/>
tze hat euch das Maul zu wi&#x017F;chen. <hi rendition="#aq">Lemelie</hi> wolte<lb/>
u&#x0364;ber die&#x017F;e Reden ra&#x017F;end werden, und augenblicklich<lb/>
vom Leder ziehen, doch <hi rendition="#aq">van Leuven</hi> ließ ihn hierzu<lb/>
nicht kommen, &#x017F;ondern riß den Großprahler als ein<lb/>
Kind zu Boden, und ließ ihm mit der vollen Fau&#x017F;t<lb/>
auf Na&#x017F;e und Maule ziemlich &#x017F;tarck zur Ader. Nun-<lb/>
mehro hatte es das An&#x017F;ehen, als ob es dem <hi rendition="#aq">Lemelie</hi><lb/>
bloß hieran gefehlet ha&#x0364;tte, weil er in wenig Minnten<lb/>
wieder zu &#x017F;einem vo&#x0364;lligen Ver&#x017F;tande kam, &#x017F;ich mit<lb/>
uns, dem Scheine nach, recht bru&#x0364;derlich vertrug, und<lb/>
&#x017F;eine Ha&#x0364;nde mit an die Arbeit legte; &#x017F;o daß wir noch<lb/>
vor Nachts wohl beladen bey <hi rendition="#aq">Concordien</hi> in der<lb/>
neuen Fel&#x017F;en-Wohnung anlangeten. Wir bereite-<lb/>
ten vor uns inge&#x017F;a&#x0364;mmt eine gute Abend-Mahlzeit,<lb/>
und rechneten aus, daß wenig&#x017F;tens auf 14. Tage <hi rendition="#aq">Pro-<lb/>
viant</hi> vor 4. Per&#x017F;onen vorhanden &#x017F;ey, binnen wel-<lb/>
cher Zeit uns die Hoffnung tro&#x0364;&#x017F;ten mu&#x017F;te, daß der<lb/>
Himmel doch ein Schiff in die&#x017F;e Gegend, uns in ein<lb/>
gut Land zu fu&#x0364;hren, &#x017F;enden wu&#x0364;rde.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#aq">Concordia</hi> hatte &#x017F;ich die&#x017F;en gantzen Tag, wie<lb/>
auch die darauf folgende Nacht &#x017F;ehr wohl befunden,<lb/>
folgenden Tag aber, wurde &#x017F;ie abermahls vom &#x017F;tar-<lb/>
cken Fro&#x017F;t und darau&#x017F; folgender Hitze u&#x0364;berfallen,<lb/>
worbey &#x017F;ie &#x017F;tarck <hi rendition="#aq">phanta&#x017F;ir</hi>te, doch gegen Abend<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K 3</fw><fw place="bottom" type="catch">ward-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[149/0163] do iſt zum Ende, es gilt unter uns dreyen einer ſo viel als der andere, die meiſten Stimmen gelten, die Vi- ctualien und andern Sachen ſind gemeinſchafftlich, will der 3te nicht was 2. haben wollen, ſo mag er elen- diglich crepiren. Schweiget mir auch ja von See- Raͤubern ſtille, ſonſten werde mich genoͤthiget ſe- hen zu zeigen, daß ich ein Cavalier bin, der das Her- tze hat euch das Maul zu wiſchen. Lemelie wolte uͤber dieſe Reden raſend werden, und augenblicklich vom Leder ziehen, doch van Leuven ließ ihn hierzu nicht kommen, ſondern riß den Großprahler als ein Kind zu Boden, und ließ ihm mit der vollen Fauſt auf Naſe und Maule ziemlich ſtarck zur Ader. Nun- mehro hatte es das Anſehen, als ob es dem Lemelie bloß hieran gefehlet haͤtte, weil er in wenig Minnten wieder zu ſeinem voͤlligen Verſtande kam, ſich mit uns, dem Scheine nach, recht bruͤderlich vertrug, und ſeine Haͤnde mit an die Arbeit legte; ſo daß wir noch vor Nachts wohl beladen bey Concordien in der neuen Felſen-Wohnung anlangeten. Wir bereite- ten vor uns ingeſaͤmmt eine gute Abend-Mahlzeit, und rechneten aus, daß wenigſtens auf 14. Tage Pro- viant vor 4. Perſonen vorhanden ſey, binnen wel- cher Zeit uns die Hoffnung troͤſten muſte, daß der Himmel doch ein Schiff in dieſe Gegend, uns in ein gut Land zu fuͤhren, ſenden wuͤrde. Concordia hatte ſich dieſen gantzen Tag, wie auch die darauf folgende Nacht ſehr wohl befunden, folgenden Tag aber, wurde ſie abermahls vom ſtar- cken Froſt und darauſ folgender Hitze uͤberfallen, worbey ſie ſtarck phantaſirte, doch gegen Abend ward- K 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/163
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/163>, abgerufen am 01.11.2024.