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Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784.

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wie könnten wir sie ergründen, die wir von ge-
stern her sind, und morgen vielleicht nicht mehr
auf Erden wohnen? Er will die Glückseligkeit
seiner ganzen unermeßlichen Welt, wie jedes ih-
rer kleinsten Geschöpfe; wie könnten wir seinen
Rathschlüßen mit unsern Gedanken folgen, die
wir nur einen so kleinen Theil seiner Geschöpfe
auf Erden kennen, und von so viel großen wun-
dervollen Welten, außer der unsrigen, ihrem
Ursprung, ihrem Bau, ihrer Zerstörung, so gar
nichts wißen? Kann es fehlen, daß die Mittel,
durch welche die unsichtbare Hand Gottes so
manches bewunderungswürdige Werk befördert,
uns oft sehr klein scheinen, wenn sie gleich die
allererhabensten sind; von uns oft für zu groß
gehalten werden, da sie doch so unendlich viel
umfaßende, uns verborgne Absichten bis in Ewig-
keit befördern sollen; von uns Kurzsichtigen,
mit unsrer stolzen unwißenden Kühnheit, oft ih-
rer Absicht zuwiderlaufend angesehen werden,
da sie doch die einzigen und lezten sind, die der
große Regierer seiner wundervollen Welt wählen
konnte?

Gott, der Ewige und Unendliche, über-
sahe in jener undenkbaren Ewigkeit, da noch

keins



wie könnten wir ſie ergründen, die wir von ge-
ſtern her ſind, und morgen vielleicht nicht mehr
auf Erden wohnen? Er will die Glückſeligkeit
ſeiner ganzen unermeßlichen Welt, wie jedes ih-
rer kleinſten Geſchöpfe; wie könnten wir ſeinen
Rathſchlüßen mit unſern Gedanken folgen, die
wir nur einen ſo kleinen Theil ſeiner Geſchöpfe
auf Erden kennen, und von ſo viel großen wun-
dervollen Welten, außer der unſrigen, ihrem
Urſprung, ihrem Bau, ihrer Zerſtörung, ſo gar
nichts wißen? Kann es fehlen, daß die Mittel,
durch welche die unſichtbare Hand Gottes ſo
manches bewunderungswürdige Werk befördert,
uns oft ſehr klein ſcheinen, wenn ſie gleich die
allererhabenſten ſind; von uns oft für zu groß
gehalten werden, da ſie doch ſo unendlich viel
umfaßende, uns verborgne Abſichten bis in Ewig-
keit befördern ſollen; von uns Kurzſichtigen,
mit unſrer ſtolzen unwißenden Kühnheit, oft ih-
rer Abſicht zuwiderlaufend angeſehen werden,
da ſie doch die einzigen und lezten ſind, die der
große Regierer ſeiner wundervollen Welt wählen
konnte?

Gott, der Ewige und Unendliche, über-
ſahe in jener undenkbaren Ewigkeit, da noch

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[72/0124] wie könnten wir ſie ergründen, die wir von ge- ſtern her ſind, und morgen vielleicht nicht mehr auf Erden wohnen? Er will die Glückſeligkeit ſeiner ganzen unermeßlichen Welt, wie jedes ih- rer kleinſten Geſchöpfe; wie könnten wir ſeinen Rathſchlüßen mit unſern Gedanken folgen, die wir nur einen ſo kleinen Theil ſeiner Geſchöpfe auf Erden kennen, und von ſo viel großen wun- dervollen Welten, außer der unſrigen, ihrem Urſprung, ihrem Bau, ihrer Zerſtörung, ſo gar nichts wißen? Kann es fehlen, daß die Mittel, durch welche die unſichtbare Hand Gottes ſo manches bewunderungswürdige Werk befördert, uns oft ſehr klein ſcheinen, wenn ſie gleich die allererhabenſten ſind; von uns oft für zu groß gehalten werden, da ſie doch ſo unendlich viel umfaßende, uns verborgne Abſichten bis in Ewig- keit befördern ſollen; von uns Kurzſichtigen, mit unſrer ſtolzen unwißenden Kühnheit, oft ih- rer Abſicht zuwiderlaufend angeſehen werden, da ſie doch die einzigen und lezten ſind, die der große Regierer ſeiner wundervollen Welt wählen konnte? Gott, der Ewige und Unendliche, über- ſahe in jener undenkbaren Ewigkeit, da noch keins

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Zitationshilfe: Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/124>, abgerufen am 16.06.2024.