Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite



ächtlichsten Wurm, bis zum erhabensten Erzengel,
ist alles Leben und Freude, in der ganzen Natur,
und unter den sterblichen Geschöpfen der Erde, ist
immer der Tod des einen, nur das Leben des an-
dern: nichts ist umsonst; nichts mangelhast; kein
Geschöpf fehlt, keines ist überflüßig; nichts steht
allein und verlaßen; ewige, weise, unverbrüchliche
Ordnung, Mannigfaltigkeit, und Schönheit,
lauter Uebereinstimmung und Glückseligkeit, herrscht
in dem großen Reiche unsers Gottes. Und doch
ist unsre Erde nur ein kleiner Punct dieses unü-
bersehbaren Reiches, das so unzählbare Welten
und Sonnen in sich begreift. -- Aber, wo ist
der Naturkündiger, der sie gezählt hätte, die zahl-
losen Geschöpfe auf Erden, der ihre Namen, ih-
re Ordnung und Stuffenfolge, ihren Ursprung
und Fortpflanzung, ihren Nutzen, vom ersten Au-
genblicke, da sie entstehn, bis dahin wann sie lan-
ge verweset sind, erforscht hätte? Muß nicht der
fleißigste Weise schweigen und bewundernd Gott
anbeten, wenn er, in den tiefsten Abgründen,
täglich neue unbekannte Geschöpfe entdeckt, die
kaum seinem bloßen Auge sichtbar sind, und wie-
der in den unermeßlichsten Höhen, Welten über
sich schweben sieht, von denen ihm nur ein schwa-
cher Wiederschein, nur ein Punct sichtbar wird?

Die



ächtlichſten Wurm, bis zum erhabenſten Erzengel,
iſt alles Leben und Freude, in der ganzen Natur,
und unter den ſterblichen Geſchöpfen der Erde, iſt
immer der Tod des einen, nur das Leben des an-
dern: nichts iſt umſonſt; nichts mangelhaſt; kein
Geſchöpf fehlt, keines iſt überflüßig; nichts ſteht
allein und verlaßen; ewige, weiſe, unverbrüchliche
Ordnung, Mannigfaltigkeit, und Schönheit,
lauter Uebereinſtimmung und Glückſeligkeit, herrſcht
in dem großen Reiche unſers Gottes. Und doch
iſt unſre Erde nur ein kleiner Punct dieſes unü-
berſehbaren Reiches, das ſo unzählbare Welten
und Sonnen in ſich begreift. — Aber, wo iſt
der Naturkündiger, der ſie gezählt hätte, die zahl-
loſen Geſchöpfe auf Erden, der ihre Namen, ih-
re Ordnung und Stuffenfolge, ihren Urſprung
und Fortpflanzung, ihren Nutzen, vom erſten Au-
genblicke, da ſie entſtehn, bis dahin wann ſie lan-
ge verweſet ſind, erforſcht hätte? Muß nicht der
fleißigſte Weiſe ſchweigen und bewundernd Gott
anbeten, wenn er, in den tiefſten Abgründen,
täglich neue unbekannte Geſchöpfe entdeckt, die
kaum ſeinem bloßen Auge ſichtbar ſind, und wie-
der in den unermeßlichſten Höhen, Welten über
ſich ſchweben ſieht, von denen ihm nur ein ſchwa-
cher Wiederſchein, nur ein Punct ſichtbar wird?

Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0129" n="77"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
ächtlich&#x017F;ten Wurm, bis zum erhaben&#x017F;ten Erzengel,<lb/>
i&#x017F;t alles Leben und Freude, in der ganzen Natur,<lb/>
und unter den &#x017F;terblichen Ge&#x017F;chöpfen der Erde, i&#x017F;t<lb/>
immer der Tod des einen, nur das Leben des an-<lb/>
dern: nichts i&#x017F;t um&#x017F;on&#x017F;t; nichts mangelha&#x017F;t; kein<lb/>
Ge&#x017F;chöpf fehlt, keines i&#x017F;t überflüßig; nichts &#x017F;teht<lb/>
allein und verlaßen; ewige, wei&#x017F;e, unverbrüchliche<lb/>
Ordnung, Mannigfaltigkeit, und Schönheit,<lb/>
lauter Ueberein&#x017F;timmung und Glück&#x017F;eligkeit, herr&#x017F;cht<lb/>
in dem großen Reiche un&#x017F;ers Gottes. Und doch<lb/>
i&#x017F;t un&#x017F;re Erde nur ein kleiner Punct die&#x017F;es unü-<lb/>
ber&#x017F;ehbaren Reiches, das &#x017F;o unzählbare Welten<lb/>
und Sonnen in &#x017F;ich begreift. &#x2014; Aber, wo i&#x017F;t<lb/>
der Naturkündiger, der &#x017F;ie gezählt hätte, die zahl-<lb/>
lo&#x017F;en Ge&#x017F;chöpfe auf Erden, der ihre Namen, ih-<lb/>
re Ordnung und Stuffenfolge, ihren Ur&#x017F;prung<lb/>
und Fortpflanzung, ihren Nutzen, vom er&#x017F;ten Au-<lb/>
genblicke, da &#x017F;ie ent&#x017F;tehn, bis dahin wann &#x017F;ie lan-<lb/>
ge verwe&#x017F;et &#x017F;ind, erfor&#x017F;cht hätte? Muß nicht der<lb/>
fleißig&#x017F;te Wei&#x017F;e &#x017F;chweigen und bewundernd Gott<lb/>
anbeten, wenn er, in den tief&#x017F;ten Abgründen,<lb/>
täglich neue unbekannte Ge&#x017F;chöpfe entdeckt, die<lb/>
kaum &#x017F;einem bloßen Auge &#x017F;ichtbar &#x017F;ind, und wie-<lb/>
der in den unermeßlich&#x017F;ten Höhen, Welten über<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;chweben &#x017F;ieht, von denen ihm nur ein &#x017F;chwa-<lb/>
cher Wieder&#x017F;chein, nur ein Punct &#x017F;ichtbar wird?<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0129] ächtlichſten Wurm, bis zum erhabenſten Erzengel, iſt alles Leben und Freude, in der ganzen Natur, und unter den ſterblichen Geſchöpfen der Erde, iſt immer der Tod des einen, nur das Leben des an- dern: nichts iſt umſonſt; nichts mangelhaſt; kein Geſchöpf fehlt, keines iſt überflüßig; nichts ſteht allein und verlaßen; ewige, weiſe, unverbrüchliche Ordnung, Mannigfaltigkeit, und Schönheit, lauter Uebereinſtimmung und Glückſeligkeit, herrſcht in dem großen Reiche unſers Gottes. Und doch iſt unſre Erde nur ein kleiner Punct dieſes unü- berſehbaren Reiches, das ſo unzählbare Welten und Sonnen in ſich begreift. — Aber, wo iſt der Naturkündiger, der ſie gezählt hätte, die zahl- loſen Geſchöpfe auf Erden, der ihre Namen, ih- re Ordnung und Stuffenfolge, ihren Urſprung und Fortpflanzung, ihren Nutzen, vom erſten Au- genblicke, da ſie entſtehn, bis dahin wann ſie lan- ge verweſet ſind, erforſcht hätte? Muß nicht der fleißigſte Weiſe ſchweigen und bewundernd Gott anbeten, wenn er, in den tiefſten Abgründen, täglich neue unbekannte Geſchöpfe entdeckt, die kaum ſeinem bloßen Auge ſichtbar ſind, und wie- der in den unermeßlichſten Höhen, Welten über ſich ſchweben ſieht, von denen ihm nur ein ſchwa- cher Wiederſchein, nur ein Punct ſichtbar wird? Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/129
Zitationshilfe: Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/129>, abgerufen am 16.06.2024.